Die Stimme der Initiativen schweigt

Die Stadtzeitung „Scheinschlag“ stellt im Sommer ihr Erscheinen ein. Sie war fast 17 Jahre lang Forum für Kiezinitiativen, Hausbesetzer sowie Kunst- und Kulturprojekte. Teile der Redaktion wollen neue Zeitung gründen

Die Stadtzeitung Scheinschlag wird eingestellt. Die Juli-Ausgabe wird die letzte sein. Dies hat der Herausgeber, der „Verein zur Begleitung öffentlicher Diskussionen in den Innenstadtbezirken“, vor wenigen Tagen beschlossen. Verabschieden will man sich mit einer Sonderausgabe, in der auch noch einmal die besondere Geschichte des Blattes deutlich werden soll. Gleichzeitig kündigten einige Mitglieder der Redaktion an, demnächst eine ähnliche Zeitung veröffentlichen zu wollen.

Gegründet wurde der Scheinschlag im November 1990 als Stadtzeitung für Mitte. Der „kurze Sommer der Anarchie“ war zu diesem Zeitpunkt schon vorbei, die besetzten Häuser in der Mainzer Straße in Friedrichshain waren geräumt, in Mitte hatten die ersten Alteigentümer und Immobilienfirmen an die Haustüren der nach der Wende entstandenen Initiativen geklopft. Der Scheinschlag entwickelte sich schnell zum Forum von HausbesetzerInnen, Bürgerinitiativen sowie Kunst- und Kulturprojekten. Dabei mauserte er sich von einer Kiezzeitung für Mitte zu einer Stadtzeitung, was vor einigen Jahren auch im Untertitel deutlich wurde.

„Die wachsende Kluft zwischen den hochfliegenden Metropolenfantasien der Politik einerseits und den Realitäten andererseits wurde in den 90er-Jahren zum bestimmendem Thema“, berichtet Ulrike Steglich, die zu den Mitarbeiterinnen der ersten Stunde gehört. Bis heute bekommen Initiativen, die sich gegen die Privatisierungen, den Ausbau von Straßen und Brücken zur Wehr setzen, im Scheinschlag ihr Forum. Dem Hype der neuen Mitte hat sich das Blatt verweigert. „Das war nur mit viel Enthusiasmus und einer gehörigen Portion Selbstausbeutung möglich“, sagt Ulrike Steglich.

Doch als die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft nach 2000 abgenommen hatten, sei die Situation immer schwieriger geworden. In den letzten Monaten hat sich herausgestellt, dass der Betrieb in der jetzigen Form ab Sommer nicht mehr möglich sein würde.

Doch nicht alle Scheinschlag-Redakteure denken ans Aufhören. „Wir gehen im Juni in eine verlängerte Sommerpause und überlegen, auf welchen Grundlagen wir weitermachen können“, meint Redaktionsmitglied Sonja John. Geplant sei wie bisher die Herausgabe einer 16-seitigen Ausgabe zehnmal im Jahr. Die finanziellen Grundlagen müssen aber noch geschaffen werden.

Freuen dürfte man sich über ein Ende des Blattes bei den Konservativen. Die CDU-Fraktion im Bezirk Mitte hat 2005 in der Bezirksverordnetenversammlung ein Ende der Kooperation mit der Zeitung gefordert – in dem Blatt erschien eine vom Bezirksamt Mitte herausgegebene Sanierungsbeilage. Den Zorn der CDU hatte sich der Scheinschlag unter anderem durch den Abdruck eines Spendenaufrufs für die Opfer rassistischer Polizeigewalt zugezogen. PETER NOWAK