Der Buddha ist auch im Radieschen

Doris Dörries „How to cook your Life“ ist ein deliziös gefilmter Kochkurs

Buddha sagt, das Leben sei Leiden – aber warum soll man dabei nicht gut essen? Nein, keine Angst, diese Rezension fällt nicht gleich mit einer Blasphemie in den Meditationskreis, denn der Buddhismus ist die einzige Glaubensrichtung, bei der das Lachen nicht nur erlaubt ist, sondern gefördert wird.

Wer sich eine Weile in der Nähe von buddhistischen Mönchen aufgehalten hat, kennt diese abgeklärte Heiterkeit, die nie aufgesetzt oder gespielt wirkt. Mit genau solch einem ansteckenden Gelächter führt Edward Espe Brown die Zuschauer durch diese Dokumentation, die nicht viel mehr als ein abgefilmter Kochkurs ist. Aber als Zen-Priester weiß Brown, dass sich im alltäglichen Tun offenbart, wer wir sind, und dass der Weg zur Erleuchtung mit dem richtigen Kneten eines Brotteigs beginnen kann.

Mit „One – Der Film“ läuft gerade ein ärgerlicher Dokumentarfilm in den Kinos, in dem „bedeutende Menschen“ aus allen möglichen Ecken ständig „bedeutende“ Sätze in die Kamera predigen, und der dabei so verblasen gutmenschelt, dass man schnell den Appetit an dem propagierten universellen Einssein verliert. Die gleichen großen Fragen nach dem Leben, dem Universum und allem werden auch in Doris Dörries Film behandelt – allerdings am Küchentisch. Und hier wird nicht herumgeschwafelt, sondern Gemüse geschnippelt.

Und dabei kommt man eher ans Eingemachte als mit abstrakten Glaubenssätzen. Edward Espe Brown gibt auf verschiedenen Workshops in buddhistischen Zentren in Österreich und Kalifornien Lektionen in der Kunst des Kochens, und das ist in der Schule des Zen gleichbedeutend mit der Kunst des Lebens.

Das Schöne daran ist, dass er immer konkret bleibt: Warum ist er als gefeierter Buchautor und Zen-Priester, der seit den sechziger Jahren als Meisterkoch gilt, immer noch nervös vor dem Kursbeginn? Warum schmeckt ein Brot, und sei es noch so gut, nicht jedem Menschen? Soll man unbedingt nach Perfektion streben, oder ist ein aufrechtes Bemühen, bei dem man immer um die Unzulänglichkeit der menschlichen Natur weiß, nicht die noblere Ambition? Über all das plaudert der Meister, meist mit den Händen im Hefeteig oder beim Gemüseschneiden („Weg mit den Fingern, die Messer finden sie, das tun Messer nun mal!“) in einem angenehmen Ton. Statt zu predigen, erzählt er lieber einen Witz, aber die Zen-Witze haben es in sich. Wie bei den Meditationsaufgaben, den Koans, kann man sich schnell in ihren Paradoxien verlieren, und wird dann auf sich selbst sowie die eigenen Denkschemen und Vorurteile zurückgeworfen. Übrigens wird erstaunlich wenig gegessen in diesem Film, denn der Weg ist wichtiger als das Menü.

Doris Dörrie, die zusammen mit einem Kollegen auch selbst die Kamera geführt hat, ist hier ein für ihre Verhältnisse erstaunlich bescheidener Film gelungen. Sie war so klug, Edward Espe Brown sein Ding machen zu lassen, und dabei auf filmische Kunststückchen zu verzichten. Natürlich gleitet die Kamera auch liebevoll über die frisch gebackenen Brote und Obsttörtchen, und die Filmtitel bestehen aus Radieschen, in die Buchstaben eingeritzt sind. Einmal konnte sie sich außerdem einen allzu verlockenden Kontrapunkt nicht verkneifen, aber wenn in Kalifornien der Satz „Man ist, was man isst“ fällt, muss man einfach einen übergewichtigen Amerikaner zeigen, der einen Hamburger in sich hineinstopft. Doch davon abgesehen bleibt der Film immer nah am Kurs, und so geht man unterhaltsam inspiriert aus dem Kino – mit Lust auf das Kochen, das Essen und das Leben.

Wilfried Hippen