Deutsche Leitkultur für alle EU-Länder

EU-Integrationsminister wollen gemeinsam integrieren. Beauftragte Böhmer sieht Multikulti-Modelle am Ende

BERLIN taz ■ Über 40 Millionen Ausländer aus Drittstaaten leben in der Europäischen Union, immerhin 8 Prozent der gesamten Einwohnerzahl. Immer wieder wird gefordert, sie besser zu integrieren. Dabei gehen die einzelnen EU-Staaten sehr unterschiedlich vor: Deutschland etwa habe „das Thema Integration viel zu lange auf die lange Bank geschoben“, räumte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende in einer Videobotschaft ein.

Heute und morgen wollen die Integrationsminister der EU in Potsdam über gemeinsame Strategien debattieren und Erfahrungen austauschen. Dass etwas geschehen muss, ist klar: Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Statistische Bundesamt Zahlen, die Merkels Bekenntnis untermauern: 13 Prozent der hier lebenden Ausländer sind arbeitslos, bei Bürgern mit deutschem Pass beträgt der Anteil nur 7,5 Prozent. Bund und Länder verhandeln derzeit über einen nationalen Integrationsplan. Im Juli soll er vorgestellt werden.

Spanien hat bereits vor wenigen Wochen ein Maßnahmenpaket verabschiedet. Bis 2010 will die Regierung in Madrid 2 Milliarden Euro für Integrationsprogramme und soziale Einrichtungen ausgeben.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), bewertet diese Maßnahmen positiv: „Europa befindet sich derzeit in einer integrationspolitischen Aufbruchstimmung“, sagte sie der taz. Der grüne Europapolitiker Omid Nouripour teilt den Jubel nicht: Das Treffen in Potsdam sei eine „Showveranstaltung“, meinte er der taz gegenüber. Er fordere stattdessen mehr Maßnahmen auf kommunaler Ebene.

Die Leitlinien europäischer Integrationspolitik ähneln der deutschen Politik vom „Fördern und Fordern“. So heißt es in einem Papier des Innenministeriums zum Treffen in Potsdam: Zuwanderer sollten einen verbesserten Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildung und politischen Institutionen erhalten, wenn sie bereit seien, „das Aufnahmeland zu ihrer Heimat zu machen“.

Die Ansätze zur Integrationspolitik in Großbritannien und Frankreich hätten nicht den von den Initiatoren gewünschten Erfolg gezeigt, meinte Böhmer. Die deutsche Ratspräsidentschaft will aus diesem Grund für das Treffen in Potsdam einen Input geben.

Nouripour warf der Bundesregierung vor, „die deutsche Leitkultur in Länder zu bringen, die das nicht nötig haben“. Das britische Modell von Multikulti bezeichnete er sogar als vorbildlich. NICOLE MESSMER