Apocalypso Now

Weil er online über „Bild“-Chef Kai Diekmann hergezogen hat, zensiert Springer den Kommentarchef der „WamS“

„Manche Leute scheinen es darauf anlegen zu wollen, zensiert zu werden, damit sie sich nachher beschweren können über die undemokratischen Zustände bei Welt-Debatte“, bloggte Alan Posener am Dienstag auf dem Debattenportal von Welt-Online. Da hatte sich der Kommentarchef von Springers Welt am Sonntag wohl noch nicht vorstellen können, dass er selbst einen Tag später zensiert werden würde.

In seinem Blog „Apocalypso“ hatte Posener gestern ein noch nicht erschienenes Buch von Bild-Chef und Springer-Kollege Kai Diekmann über das Erbe der Studentenbewegung mit den Worten kommentiert: „Die 68er zwingen ihn (Diekmann, die Red.) noch heute, täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die niedrigsten Instinkte der Bild-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle mitzuschwimmen. (…) Wenn man ein bisschen zynisch ist, auf miniberöckte Vorzimmermiezen großen, auf Ernsthaftigkeit eher weniger Wert legt, kann man Karriere machen, und das ist völlig OK so.“ Jubelnd verlinkte die Blogger-Gemeinde Poseners Eintrag – bis man wohl auch in Springers Chefetagen auf das Posting aufmerksam wurde. Am Mittwoch Vormittag war es von Welt-Debatte verschwunden.

„Dies ist die Entgleisung eines einzelnen Miarbeiters“, sagte Unternehmenssprecherin Edda Fels auf taz-Anfrage. „Der Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann ist ohne Wissen der Chefredaktion in den Weblog von Alan Posener gestellt worden. Bei Axel Springer gilt Meinungspluralismus, aber nicht Selbstprofilierung durch die Verächtlichmachung von Kollegen.“ Welche Konsequenzen man bei Springer daraus gezogen hat, kann man sich denken. Nur: Was wohl die Chefredation gemacht hätte, wenn Verlagsgründer Axel C. Springer sein berühmtes Diktum „Ich leide täglich wie ein Hund an der Bild“ nicht gesagt, sondern gebloggt hätte? HPI