DIE ACHSE DER MIX-CDS VON TOBIAS RAPP
Vom House zum Pop

Vollkommener wird man es diesen Frühling wohl nicht mehr bekommen. Seit einer ganzen Weile zeichnet sich in der elektronischen Musik ja schon eine Renaissance der deepen Spielart des House ab, ein Sound, der zwischen all den kälteren und minimalistischeren Klangentwürfen, die die letzten Jahre bestimmt haben, fast vergessen schien. Der Berliner DJ Dixon und sein Label Innervisions spielen dabei eine wichtige Rolle, und mit „Body Language Vol.4“ legt er nun die dazu passende Mix-CD vor. Als hätten die vergangenen Jahre diese Musik völlig entschlackt und von zu Klischee geronnenen Elementen wie Afro-Geklöppel oder Diven-Vocals befreit, präsentiert Dixon einen Mix, der House äußerst elegant als zeitgenössischen Pop wiederentdeckt. Da findet sich nicht nur der Remix von „Eraser“ des Radiohead-Sängers Thom Yorke, auch ein neues Stück von Tracy Thorn, der Ex-Sängerin von Everything But The Girl, ist eingewoben – das im schönsten Moment des Albums dann in den Cut-Up-Big-Band-Stomper „Moving Like A Train“ von Matthew Herbert übergeht.

Dixon: „Body Language Vol. 4“ (Get Physical/Rough Trade)

Vom Laufsteg auf den iPod

Auch schön: die Lieblingsstücke von Karl Lagerfeld. Die Fashionshow-Compilation bildet ja ein ganz eigenes Subgenre im Mix-CD-Geschäft: Viele Modefirmen betreiben mittlerweile solche Reihen. Die Möglichkeit, die Musik-Coolness von DJs mit der Fashion-Coolness der Modemacher zu verbinden, ist zu verführerisch. Im Fall von „My Favourite Songs“ tritt Ersteres allerdings vollkommen hinter der Übergestalt Karl Lagerfeld zurück. Es sind zwei CDs, der „At Work – Fashion Show Mix“ und die „At Home“-Abteilung, und jeder, der das Glück hatte, den Dokumentarfilm „Lagerfeld Confidential“ zu sehen, und sich über die zahllosen iPods gewundert hat, die in seiner Wohnung herumliegen: die Musik auf diesen zwei Platten dürfte tatsächlich dem entsprechen, was Lagerfeld so hört. Was im Grunde natürlich unwichtig ist, doch gerade wenn es um Oberflächen geht, muss man seine Vorlieben überzeugend verkörpern. Mit seiner Mischung aus Weird Folk, Beardo House, Kölner Techno, Indiepop, 80ies Revival und Strawinsky ist das erstaunlich Cutting Edge für einen 73-Jährigen.

Karl Lagerfeld: „My Favorite Songs“ (Tolerance/Intergroove)

Vom DJ-Mix zum Hobby

Ziemlich misslungen dagegen ist der „DJ-Kicks“-Mix der Londoner Electropop-Band Hot Chip. Ausgerechnet die angesagteste Combo des vergangenen Jahres ist in die gleiche Falle getapst, in die die zahllosen Hobby-DJs laufen, die die einschlägigen Internetforen mit „Hey-My-First-Mix!“-Eintragungen verstopfen. Nur weil sich am Computer die unterschiedlichsten Stücke einfach synchronisieren lassen und man einen Musikgeschmack hat, der die verschiedensten Musikstile umfasst, heißt das noch lange nicht, dass man all das in einen Mix zusammenschmeißen muss. Auch Eklektizismus hat seine Grenzen. So holpern sich Hot Chip von einem schönen Stück zum nächsten, ohne jemals Spannung aufzubauen, ohne ein Gefühl für Dramaturgie zu entwickeln. Es führt einfach kein direkter Weg von Old School-Hiphop zu Cut-Up-House, von New Order zu einem Südstaatenrapper wie Young Leek, von der Soulsängerin Etta James in den Black Devil Disco Club. Das alles sind sehr schöne Platten. Es reicht aber nicht, sie zu kennen. Die Kunst des DJs besteht darin, sie auch spielen zu wissen.

Hot Chip: „DJ-Kicks“ (!K7/ Rough Trade)