Bremen auf Linkskurs

AUS BREMEN K. WOLSCHNER
UND A. SIMON

Der Linkspartei ist in Bremen der Durchbruch im Westen gelungen. Nach gestrigen Hochrechnungen schaffte sie mit 8,6 Prozent erstmals den Sprung in ein westdeutsches Landesparlament. Wahlgewinner ist die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Jens Böhrnsen – trotz erheblicher Verluste. Die Sozialdemokraten lagen in Hochrechnungen für ARD und ZDF bei 37,3 bis 37,8 Prozent und verloren damit knapp 5 Prozent. Der bisherige Koalitionspartner CDU mit Thomas Röwekamp an der Spitze erlitt ebenfalls erhebliche Verluste und landete bei 25,2 bis 26,4 Prozent. Die Grünen erreichten mit 16,5 Prozent ihr bestes Wahlergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt.

Damit hat die große Koalition in Bremen einen empfindlichen Denkzettel erhalten. Bei den kleinen Parteien war ob ihrer historischen Erfolge hingegen die Freude groß. Grünen-Bundeschef Reinhard Bütikofer nannte das Ergebnis „eine klare Absage an die große Koalition“. Die Bremer Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert sagte, ihre Partei erhebe nun Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung. Linke-Spitzenkandidat Peter Erlanson betonte, seine Partei werde in der Bürgerschaft für „Unruhe und Transparenz“ sorgen.

SPD-Spitzenkandidat Böhrnsen führte die Sozialdemokraten erstmals als Bürgermeister in den Wahlkampf. Trotz eines der schlechtesten Ergebnisse in der Nachkriegszeit sah er sich gestern als Gewinner. „Wir haben diese Wahl gewonnen. Wer 13 Punkte vor den anderen liegt, der ist der Sieger“, sagte Böhrnsen, der vor dem Urnengang eine Koalitionsaussage vermieden hatte. Böhrnsen kündigte gestern Sondierungsgespräche sowohl mit der CDU als auch den Grünen an. Verhandlungen mit der Linkspartei lehnte er ab. Der Chef der Bundes-SPD, Kurt Beck, überließ die Entscheidung dem Bremer Landesverband. Vor allem im Vergleich zu den letzten Umfragen vor zwei Wochen hat Böhrnsen, der eher etwas schüchtern auftretende Sozialdemokrat, verloren. Mindestens 5 Prozent würde er verlieren, das hatte die CDU gehofft – Prozente, die sie 2003 an den immer lächelnden „Oma-Knutscher“, Böhrnsens Vorgänger Henning Scherf, 2003 verloren hatte.

Aber diese 5 Prozent sind nicht zur CDU zurückgegangen, im Gegenteil – auch die CDU hat verloren. Mit 25,2 Prozent landete sie 4,6 Punkte unter ihrem Ergebnis von 2003. Auf der Wahlparty der Konservativen herrschte denn auch Enttäuschung. Spitzenkandidat Uwe Röwekamp schob die Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis dem bisherigen Koalitionspartner zu. Die SPD habe zu stark nach „links geschielt“, sagte er. Die SPD habe im Wahlkampf kein klares Bekenntnis dafür abgegeben, wie es weitergehen solle, sagte der Bremer Innensenator. Jetzt hoffe er, dass die SPD in den kommenden Tagen wieder zur Besinnung komme und sich dazu entschließe, die große Koalition fortzusetzen.

Schon kurz nach Bekanntgabe der ersten Prognosen begann die wechselseitige Kritik am Parteiprofil. Einige Konservative forderten die Öffnung nach links, andere kritisierten dagegen den Themenwechsel in den letzten Wochen des Wahlkampfes, in denen die Union auf Familie und Bildung gesetzt hatte, als „falschen Weg“. Der frühere Bausenator Jens Eckhoff stellte sogar in Frage, dass der Bremer Landes-Chef Bernd Neumann weiter im Amt bleibt: „Uwe Röwekamp ist das neue Gesicht der CDU“, sagte er. Er habe das erste Anrecht auf alle Ämter. Die Bremer Union steuert in den nächsten Wochen wohl auf einen handfesten Richtungsstreit zu.

Die Linkspartei sieht sich nach ihrem Erfolg als „bundesweite Kraft“. Ihr Erfolg sei vor allem auf ihr Zusammengehen mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) zurückzuführen, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi. Auch dass der frühere SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine für die gemeinsame Arbeit gewonnen worden sei, habe eine Rolle gespielt.

Darüber, dass die SPD in Bremen nicht mit der Linkspartei über eine Regierungsbeteiligung reden wolle, mache sich Gysi keine Sorgen: Anfang der 90er-Jahre habe bundesweit auch niemand mit seiner Partei reden wollen, inzwischen sei das anders, sagte Gysi mit Blick auf Regierungsbeteiligungen in ostdeutschen Bundesländern.

Die FDP kam Hochrechnungen zufolge auf 5,6 Prozent, wobei noch unklar war, ob sie mit nur einem oder mit fünf Abgeordneten in das Landesparlament einziehen kann. Das hängt vom Teilergebnis in Bremen ab.

Am rechten Rand hatten sich für die Bremer Wahl einige Gruppierungen Hoffnungen gemacht. Die DVU, die über eine Bremerhavener Sonderregelung mit einem Abgeordneten im Landesparlament vertreten war, musste gegen ein massives Plakataufgebot der Republikaner kämpfen. Im Resultat konnten die rechten Gruppen immerhin ein Potenzial von gut 7 Prozent mobilisieren. Nur über die Bremer Besonderheit einer Fünfprozentklausel allein für den Wahlkreis Bremerhaven, die der DVU seit Jahren einen Sitz bescherte, konnten sie gestern noch auf jeweils einen Parlamentssitz hoffen.

MITARBEIT: VEIT MEDICK