Wahlen als Referendum

In den Philippinen wird heute ein neues Parlament gewählt. Falls Präsidentin Arroyo ihre Mehrheit verliert, droht ihr ein Amtsenthebungsverfahren – wegen Wahlfälschung

BERLIN taz ■ Als Armeechef Hermogenes Esperon vergangene Woche verkündete, „die Truppen stünden bereit“, fühlten sich viele Philippiner einmal mehr an die finsteren Jahre der Marcos-Diktatur erinnert. Vom drohenden Rückfall in alte Zeiten und von den Generälen, die eigentlich das Sagen haben im Präsidentenpalast in Manila, ist derzeit viel die Rede in dem Land, das sich in einer innenpolitischen Krise befindet. Vor den heute stattfindenden Parlamentswahlen wurden nicht nur mehr Bombenanschläge im unruhigen Süden des Landes verzeichnet. Auch die Zahl ermordeter Lokalpolitiker und Aktivisten, die von Guerilleros, Sicherheitskräften oder politischen Gegnern „ausgeschaltet“ wurden, ist rasant gestiegen.

Rund 40 Millionen Wähler sind heute aufgerufen, insgesamt 17.000 politische Ämter neu zu vergeben. Neben Kongressabgeordneten und Senatoren stehen auch Gouverneure und Bürgermeister zur Wahl. Obgleich keine Präsidentschaftswahl, sei der heutige Urnengang „ein Referendum über die Zukunft der Regierung“, sagt Exbildungsminister Florencio Abad zur taz. Der Liberale Abad hatte mit mehreren Ministern wegen der offensichtlich gefälschten Präsidentschaftswahlen von 2004 den Rücktritt von Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo gefordert. Noch hat die Regierungskoalition von Arroyo im Kongress eine komfortable Mehrheit, an der ein Amtsenthebungsverfahren scheiterte. Sollte sich das nach der heutigen Wahl ändern, müsste die Präsidentin ein weiteres Verfahren fürchten.

Expräsident Fidel Ramos, glaubt nicht, dass es so weit kommt. „Unsere Netzwerke arbeiten gut“, sagt der ehemalige General zur taz. Von Umfragen, die die Opposition vorn sehen, will Ramos als einflussreicher Unterstützer der Präsidentin, nichts wissen. Ebenso wenig wie von der politischen Dauerkrise des Landes, von Armut, Korruption und politischen Morden. „Unser Land ist stabil“, sagt Ramos. „Die Wirtschaft wächst mit über 5 Prozent. Wir haben die Armut verringert.“ Kritiker hingegen zeichnen ein anderes Bild des Landes, in dem die Hälfte der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze mit zwei Dollar am Tag lebt.

Viele Beobachter rechnen das Wirtschaftswachstum vor allem den gewaltigen Finanzströmen zu, die von der Diaspora ins Land fließen. Die Transfers der gut ausgebildeten und daher weltweit begehrten Overseas Filipino Workers entsprechen 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ohne diese Gelder, sagt Henry Schumacher, der die Europäische Handelskammer in Manila leitet, „wäre hier schon lange Revolution.“ Angesichts des Korruptionsniveaus, das Analysten inzwischen als am höchsten in ganz Asien einstufen, halten sich Investoren lieber zurück. Die angeschlagene Präsidentin, die im vergangenen Jahr angesichts eines angeblich drohenden Putsches den Notstand ausrief, hat mehr mit dem eigenen politischen Überleben zu tun, als mit dem Lösen der wirtschaftlichen Probleme des Landes.

„Die Krise der Präsidentin ist zur Krise des gesamten politischen Systems“ geworden, stellt Ronald Llamos gegenüber der taz fest. Er ist Generalsekretär der aus sozialen Bewegungen hervorgegangenen Akbayan-Partei, für die auch der bekannte Globalisierungskritiker Walden Bello kandidiert. Akbayan setzt sich für eine Umsetzung der Landreform, für eine Verbesserung des maroden staatlichen Gesundheitswesens und für die Armutsbekämpfung ein.

Parteien wie Akbayan oder die linke „Bayan Muna“ des Exkommunisten Satur Ocampo sind zwar im Volk populär. Doch ein unfaires Wahlsystem sorgt dafür, dass sie nicht allzu stark werden. Egal, wie viele Stimmen sie bekommen, ihnen werden maximal 3 der 265 Sitze im Kongress zugestanden. Die politische Macht auf den Philippinen dürfte schon aufgrund dieses Systems – in vielen Fällen im wahrsten Sinne des Wortes – „in der Familie“ bleiben. Sicherheitshalber kann ja nachgeholfen werden. Umfragen zufolge glaubt die Hälfte der Philippiner, dass auch diese Wahlen wieder gefälscht sein werden.

ANETT KELLER