polizeieinsatz
: Rückfall in die 80er-Jahre

Dieter Glietsch muss man loben. Schneller, als die Polizei erlaubt, hat er gestern verkündet, dass ein Einsatz seiner Greiftruppen gegen G-8-Kritiker ohne Rechtsgrundlage stattgefunden hat. Noch lobenswerter aber wäre es gewesen, wenn Berlins Polizeipräsident seinen Untergebenen schon vor ihrem übereifrigen Einsatz am Sonntag hätte deutlich machen können, dass nicht jeder potenzielle Demonstrant auch ein potenzieller Gewalttäter ist. Nicht einmal, wenn er gerade eine Sitzblockade übt.

KOMMENTAR VON GEREON ASMUTH

Anhängern von Recht und Ordnung sind Menschen, die sich demonstrativ in den Weg stellen oder setzen, zwar naturgemäß ein Dorn im Auge. Dennoch sind Sitzblockaden keineswegs immer rechtswidrig. Zwar verstieg sich ein Bundesinnenminister Anfang der 80er-Jahre noch zu der wahnwitzigen Erkenntnis, dass auch gewaltloser Widerstand Gewalt sei. Doch laut Beschluss des Bundesverfassungsgericht handelt es sich keineswegs bei jeder Blockade um eine strafbare Nötigung. Dafür müssten sich die Teilnehmer schon anketten.

Solch juristische Spitzfindigkeiten über die Teilnahme an der demokratischen Willensbildung gehören leider keinesfalls zur Allgemeinbildung. Umso lobenswerter ist es daher, wenn sich junge Menschen aus dem Umfeld der Linkspartei in Parks treffen, um Formen des legalen, zivilen Widerstands zu üben. Ihnen gebührt eine prompte Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung.

Auch Polizeipräsident Dieter Glietsch sollte überlegen, ob er seine Fußtruppen nicht zur juristischen Nachschulung ins Freiluftkompaktseminar der Sozialistischen Jugend schickt. Denn derzeit erwecken seine Beamten leider den Eindruck, dass sie dem von der Bundesanwaltschaft geschürten Wahn anhängen, jeder G-8-Gegner sei ein potenzieller Terrorist. Das ist ein Rückfall in das längst überwunden geglaubte Schwarz-Weiß-Denken der 80er-Jahre.