Eine Frage der Hausfrauenehre

Elke Hornbach lebt auf dem Land. Sie will arbeiten und braucht Ganztagsbetreuung für ihre drei Kinder. Die Supermütter im Dorf sehen das anders

BERLIN taz ■ „Das ist eine bestimmte Art von Hausfrauenehre“, lautet die These von Elke Hornbach*. Hausfrauenehre sei, dass man selbstverständlich eine gute Hausfrau und Mutter ist – und sein Kind nicht in die Kita abschiebt. „Das wäre in deren Augen das Eingeständnis eines Scheiterns“, so hat Hornbach es in ihrem Dorf beobachtet. „Man hat das ordentlichste Haus, kocht das beste Essen, hat die bravsten, bestangezogenen Kinder – früher nannte man das Spießigkeit.“

Schon oft hat sie sich gefragt, warum es nicht mehr Eltern wie sie gibt. Warum sie nicht zusammen die Gemeindeverwaltung stürmen und endlich die vermaledeiten Krippenplätze – und zwar ganztags – einfordern.

Seit einigen Jahren lebt die promovierte Soziologin mit Mann und mittlerweile drei Kindern in einem niedersächsischen Dorf bei Buxtehude, vierzig Kilometer von Hamburg entfernt. Seit gerade mal zwei Jahren gibt es in ihrem 1.200-Seelen-Dorf überhaupt einen Kindergarten, von einem Krippenplatz für ihre anderthalbjährige Jüngste kann Hornbach nur träumen. An zwei Vormittagen bringt sie die Kleine ins Nachbardorf zu einer Tagesmutter, für je drei Stunden. „Das reicht gerade fürs Staubsaugen.“

Niedersachsen ist einer der weißen Flecken auf der bundesdeutschen Krippen-Landkarte, der weißeste, meint das Deutsche Jugendinstitut. 2006 hat es zuletzt nachzählen lassen: Niedersachsen ist demnach das Schlusslicht. Für 4,1 Prozent der Kinder unter drei Jahren steht ein Betreuungsplatz zur Verfügung, das sind 9.400 Plätze landesweit. Sogar Bayern liegt schon bei 5,6 Prozent. Kultusminister Bernd Busemann (CDU) bezeichnet die Zahl zwar als „mit Sicherheit falsch“, kündigte aber bereits ein Millionenprogramm für 60.000 weitere Plätze an – für die Hornbachs zu spät.

Die beiden älteren Söhne, vier und neun Jahre, sind maximal halbtags in Kindergarten und Schule. „Mit meiner Qualifikation finde ich aber am ehesten in Hamburg einen Job, das sind anderthalb Stunden Fahrt,“ gibt Hornbach zu bedenken. „Ich brauche richtige, wirkliche Ganztagsplätze“.

Aufs Dorf sind die Hornbachs gezogen, weil das Hamburger Umland zu teuer war. Nun pendelt der Vater, ein Ingenieur, in die Stadt. Und Elke Hornbach sitzt auf dem Dorf. Zusammen mit den Superhausfrauen, die ihr ins Gesicht sagen: „Wenn Sie so dringend arbeiten wollen, dann hätten Sie eben keine Kinder bekommen sollen.“ Ihre Nachbarinnen pflegen Heim und Kinder, sagen: „Der Kleine muss ja nicht in den Kindergarten“, als wäre es zu Hause bei ihnen auf jeden Fall schöner. „Der inner circle der tonangebenden Frauen hier ist sich einig“, hat Hornbach beobachtet.

Dabei erlebt Hornbach jeden Tag, dass es ganz anders sein kann. Ihr Sohn Bert, viereinhalb, geht mit Begeisterung in den Kindergarten. „Sie singen, sie machen Spiele, sie bereiten kleine Mahlzeiten zu“, erzählt seine Mutter. „‚Wir im Kindergarten‘, sagt Bert immer, ‚meine Fliegenpilzgruppe‘, ‚meine Freunde‘. Ich sehe doch, dass es ihm guttut“. Aber die Gemeinde bekomme nun mal überhaupt keinen Druck von den Eltern, wenn sie behaupte, für Ganztagsplätze und Krippen sei kein Geld da. „Von der Krippendebatte kommt hier im Dorf so gut wie nichts an“, meint Hornbach. „Die Kommunen müssen den Krippenausbau verordnet bekommen, sonst passiert hier gar nichts.“

Sie selber versucht sich eine Existenz in der Erwachsenenbildung aufzubauen. Und die Kinder? „Ich würde meine Kurse am Wochenende geben, dann ist mein Mann zu Hause.“ Der Nachteil: „Wir hätten kaum mehr gemeinsame Zeit mit den Kindern.“ Was dazu wohl die Nachbarn sagen … HEIDE OESTREICH

* Name geändert