Der Reiz der Opposition

Die CDU habe alle kontroversen Positionen in den Sondierungsverhandlungen „geräumt“, sagt die SPD. In den sachlichen Positionen sei man „überraschend nah beieinander“, bestätigt die CDU

von Klaus Wolschner

Die Inszenierung konnte nicht besser sein: Eine weitere „Sondierung“ ist nicht nötig, erklärte CDU-Landesvorsitzender Bernd Neumann am Mittwoch nach dem ersten Gespräch mit der SPD. Der Fortsetzung der großen Koalition stehe nichts entgegen, man sei in allen wichtigen Sachfragen „überraschend nahe“ beieinander. Man habe die Runde daher nach anderthalb Stunden beenden können – wenn die SPD sich jetzt noch für Rot-Grün entscheide, dann liege das „eher an emotionalen Dingen“.

Das Gefühl, „dass man mal was anders machen“ wolle, das gebe es ja auch sonst im Leben, scherzte Neumann, er könne das gut verstehen. Die CDU werde gelassen abwarten, wie sich die SPD entscheide. Aber ob die SPD nun wirklich in die große Koalition wolle, da sei er doch eher skeptisch, meinte Neumann – die GenossInnen seien überhaupt nicht glücklich über die große Übereinstimung gewesen.

Direkt im Anschluss hatte SPD-Landesvorsitzender Uwe Beckmeyer zum Bericht über dasselbe Gespräch geladen. Überrascht sei er schon auch gewesen, sagte er – aber vor allem darüber, dass die CDU „alle Positionen geräumt“ hätte, bei denen es in den letzten Monaten Kontroversen gegeben habe. Der Führungsanspruch des Bürgermeisters sei „uneingeschränkt akzeptiert worden“, und „das hat uns gutgetan“. Für eine mögliche Regierungsbildung sei es „sehr erfreulich“, wenn die sozialdemokratischen Vorschläge akzeptiert würden. Bevor man sich auf verbindliche Verhandlungen einlassen könne, müsse man sicherheitshalber aber doch ein Ergebnisprotokoll erstellen.

Was ist nun konkret besprochen worden? Das war nur mühsam herauszufinden. Die CDU hatte vorher lautstark erklärt, eine „Einheitsschule“ werde es mit ihr nicht geben – das hatte die SPD allerdings auch gar nicht gefordert. Die freie Schul-Anwahl soll erhalten bleiben, die SPD will die integrierten Stadtteilschulen fördern, mehr Ganztagsschulen einrichten. Das war, so allgemein, schon in den letzten Jahren Koalitionskonsens.

Stadtteilen, die durch ihre Sozialstruktur benachteiligt sind, soll geholfen werden – auch dagegen hat die CDU nichts. Bei der Investitionspolitik werde schon seit zwei Jahren sehr genau hingeguckt, meinte Neumann. Die Zeiten seien vorbei, in denen eine hohe Investitionsquote „perse“ als gut verstanden wurde. Auch da kein Streitpunkt. Dass Gewerbeflächen in den nächsten Jahren nur bei Bedarf neu eingerichtet werden sollten, sei auch Konsens. De facto hat Bremen Flächenvorrat auf Jahre.

Auf welche Positionen hat die CDU nun, aus sozialdemokratischer Sicht, verzichtet? Die Direktwahl der Ortsamtsleiter etwa. Oder das „beitragsfreie dritte Kita-Jahr“ – die SPD will das Geld lieber für die bessere Ausstattung der Kitas ausgeben. Aber um viel geht es hier nicht.

Für den heutigen Freitag stehen die Sondierungsgespräche mit den Grünen an. Neumann jedenfalls sieht das gelassen. Für die CDU sei auch ein Gang in die Opposition „nicht ganz reizlos“, meinte er. Aus einer kräftigen Opposition heraus könnte die CDU in vier Jahren auf „ein paar Prozente mehr“ hoffen.