EL MASRI IST NICHT DER EINZIGE, DER IN DEUTSCHLAND KEINE HILFE ERHÄLT
: Achselzuckende Missachtung

Vielleicht wäre Khaled El Masri ganz ohne traumatische Erlebnisse irgendwann zum Brandstifter geworden. Vielleicht hätte er ein zufriedenes Leben geführt. Vielleicht wäre er psychisch erkrankt. Die Öffentlichkeit kann das nicht beurteilen. Von öffentlichem Interesse ist eine andere Frage: ob der 43-Jährige die Hilfe bekommen hat, die er brauchte. Oder ob ihm Gleichgültigkeit und Missachtung entgegenschlug.

Diese Frage wird beantwortet werden, weil es gilt, eine Straftat aufzuklären. Und wenn es so weit nicht gekommen wäre? Wenn Khaled El Masri nicht auf spektakuläre Weise festgenommen worden wäre, sondern unauffällig und unglücklich weiter gelebt hätte? Dann hätte sich für sein Schicksal kaum jemand interessiert. Das immerhin lässt sich bereits mit einiger Sicherheit sagen.

Hilferufe seines Anwalts hat es gegeben, auch Alarmsignale – aber für ernst haben diejenigen den Fall offenbar nicht gehalten, die um Hilfe gebeten wurden. Ganz zu schweigen von der Bereitschaft, zu erkennen, dass eine Zeitbombe tickte.

Der Anwalt hat darauf hingewiesen, dass Rechtsstaatlichkeit nicht nur bedeutet, Straftaten abzuwehren. Sondern auch, sich um die Opfer zu kümmern. Wohl wahr. Das gilt übrigens nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Aber wie ernst nimmt der deutsche Staat, der selbst nicht foltern und nicht töten lässt, staatliche Gewalt andernorts? Die Angst vor Abschiebung hat in Deutschland mehrfach Menschen in den Selbstmord getrieben. Sie fürchteten, in ihrem Heimatland gequält oder ermordet zu werden. Die Öffentlichkeit nimmt das hin. Achselzuckend.

Khaled El Masri ist kein Ausländer, sondern Deutscher. Abschiebung muss er nicht befürchten. Somit ist ja alles in Ordnung, oder? Nein. Es ist nämlich kein Zufall, dass seiner Hilfsbedürftigkeit nicht Rechnung getragen wurde. Wenn der Staat anerkennen würde, dass ein potenzielles Folteropfer auf besondere Weise einen Anspruch hat auf Schutz und Hilfe, dann hätte das weitreichende Folgen. Diese Folgen sind politisch nicht erwünscht. Pech für Khaled El Masri. BETTINA GAUS