Polizei darf nicht ins Schlafzimmer linsen

Hamburger Verwaltungsgericht untersagt Innenbehörde, bei der Vidoeüberwachung des öffentlichen Raums Kameras auch über die Fenster von Privatwohnungen schwenken zu lassen. Der Hauseingang allerdings darf gefilmt werden

Der Polizei sind bei der Videoüberwachung des öffentlichen Raumes nicht nur Grenzen gesetzt – sie müssen auch erkennbar sein. Das Hamburger Verwaltungsgericht (VG) hat der Innenbehörde aufgetragen, eine mechanische Vorrichtung zu entwickeln, durch die eine Kamera auf der Reeperbahn beim Schwenk auf die Wohnung einer jungen Frau abgeblendet wird. „Wir erkennen die Befindlichkeiten, die es auslöst, wenn eine Kamera durch das Fenster schaut“, sagte der vorsitzende Richter.

Seit März 2006 sind auf Hamburgs „sündiger Meile“ zwölf Videokameras installiert. Mit diesen filmt die Polizei das Geschehen auf der Straße. Das Wissen um die Beobachtung soll potentielle Straftäter von ihren Taten abhalten. Die Videoüberwachung ist umstritten, weil sie einen Eingriff in das Grundrecht aller Passanten darstellt, sich frei und unbeobachtet im öffentlichen Raum bewegen zu können.

Kaum hingen die Kameras, kam ein Problem hinzu: Das künstliche Auge schwenkt nicht nur über Straßen und Bürgersteige, sondern blickt auch in Privatwohnungen auf dem Kiez hinein. Alja R., wohnhaft im zweiten Stock eines Mietshauses auf der Reeperbahn, zog vor Gericht.

Sie bekam schon im Eilverfahren Recht: Zwar trug die Polizei vor, dass die Kameras eine digitale Sperre hätten: Sobald sie sich auf Privatwohnungen richten, schaltet der Bildschirm automatisch auf Schwarz. Die Innenbehörde hat ihren Mitarbeitern aber vorbehalten, die Sicht im Falle einer Gefahr doch wieder freizuschalten. Und das untersagte das Oberverwaltungsgericht (OVG).

Das Verwaltungsgericht ging gestern im Hauptverfahren einen Schritt weiter: Alja R. müsse darauf vertrauen können, nicht doch unbemerkt im Visier der Kamera zu sein. Bei computergesteuerten Geräten aber gäbe es „immer Manipulationsmöglichkeiten“. Die Kammer verlangte, zudem eine mechanische Sichtsperre zu installieren.

Der Vertreter der Innenbehörde konstruierte gestern den Fall, dass die Mieterin selbst von der Beobachtung profitieren könnte. „Was hat das mit diesem Fall zu tun?“, fragte der Richter. „Die Klägerin möchte nicht beobachtet werden, und es muss einen effektiven Schutz für sie geben.“

Eine Niederlage musste Alja R. doch einstecken: Sie wollte auch beim Betreten und Verlassen ihres Hauses unbeobachtet sein. Das gestand ihr das Gericht nicht zu: Der Eingang eines Mietshauses, befand es, gehört zur grundrechtlich geschützten Wohnung nicht dazu. ELKE SPANNER