Der eigentliche Organ-Skandal
: Kommentar von PHILIPP GESSLER

Ja, diese Show bewegt sich jenseits des guten Geschmacks. Drei Schwerkranke, die im öffentlichen Wettbewerb um eine dringend benötigte Organspende konkurrieren? Das sprengt die Grenze einer gewöhnlichen Unterhaltungssendung. Am Ende der Reality-Show soll eine Organspenderin namens „Lisa“, die selbst an einem unheilbaren Gehirntumor leidet, dann entscheiden, wem sie ihre Niere zur Verfügung stellt. Das hat noch vor Sendestart eine heftige Debatte ausgelöst, weit über die Niederlande hinaus. Doch insgesamt dient die Sendung einem guten Zweck.

Nun heiligt der Zweck nicht alle Mittel. Und Stirnrunzeln ist angebracht, weil die Sendung von den „Big Brother“-Produzenten Endemol stammt und ja auch Quote bringen soll. Zu denken gibt auch, dass sich etwa das niederländische Nieren-Institut zwar über die Publicity freut, die das vernachlässigte Thema Organspende nun bekommt. Zugleich erklärt es klipp und klar, die Art der Präsentation sei „definitiv nicht unsere Wahl“.

Dennoch ist die Show zu verteidigen. Zum einen sind solche Provokationen grundsätzlich von der Pressefreiheit gedeckt. Zum anderen darf man dem Sender glauben, dass es ihm in erster Linie darum geht, die Öffentlichkeit aufzurütteln. Denn dessen Gründer starb vor fünf Jahren an Nierenversagen, nachdem er jahrelang vergeblich auf eine Organspende gewartet hatte.

Zu Recht muss man deshalb fragen, was eigentlich der größere Skandal ist – diese Sendung oder die Organspende-Realität in Europa. Nach Angaben der Europäischen Kommission sterben in Europa täglich zehn Menschen, weil sie zu lange auf ein Spenderorgan warten mussten. Derzeit stehen 40.000 Europäer auf einer Warteliste für eine Organspende; in den Niederlanden warten Bedürftige im Schnitt vier Jahre.

Um diese Realität anzuprangern, sind auch drastische Mittel erlaubt. Zumal hier niemand geschädigt wird, im Gegenteil: Die Chance der drei Kandidaten, eine Niere von der Spenderin „Lisa“ zu bekommen, ist viel höher, als sie auf offiziellem Wege zu erhalten. Die krasse Show ist deshalb eine Mahnung: noch heute einen Organspende-Ausweis auszufüllen. Um solche Shows in Zukunft unnötig zu machen.