Hallo, kleines Blatt

Die „Frankfurter Rundschau“ ist geschrumpft und wirkt nach dem mutigen Schritt in die Zukunft leider weiter arm – und überhaupt noch nicht sexy

VON STEFFEN GRIMBERG

Da liegt sie nun, die erste kleine Frankfurter Rundschau im Tabloid-Format. Und auch wenn es nach Agenturberichten beim Festakt in Frankfurt viel Lob für das neue optische Erscheinungsbild der Zeitung gab: Man wird den Eindruck nicht los, sie hätten vorher doch besser noch mal beim Independent nachgefragt.

Das britische Blatt hatte 2003 als erste Qualitätszeitung ihr Format verkleinert (taz vom 30. 5. 07), so eine ganze Tabloid-Welle ausgelöst – und setzt bis heute Maßstäbe mit seinen engagierten Titelseiten.

Die Seite 1 der neuen Frankfurter Rundschau (FR) dagegen verwirrt: Angela Merkel steht vor einer Säule mit der Zahl 62, dabei ist sie doch glatt zehn Jahre jünger. Es folgen weitere Fotos von Staatslenkern bis hin zu einem ganz kleinen US-Präsidenten. Die Überschrift verkündet „Zu Gast bei Gegnern“ und dass die Deutschen „wenig vom G-8-Gipfel – und gar nichts von George W. Bush“ hielten. Es bleibt schließlich der Bildunterschrift vorbehalten, das Rätsel aufzulösen: Es geht hier um Politiker-Sympathie-Werte, und Bush liegt erwartungsgemäß weit hinten.

Manchem der Gäste bei der Frankfurter Fete war schon diese Aufmachung zu tendenziös, heißt es. Zumindest hier liegt die neue FR also richtig, wenn sie von ihrem – nicht immer ganz zutreffenden – Image als Deutschlands verschnarchteste Überregionale wegkommen will.

Aber im neuen Format klappert’s noch gewaltig: Wie die taz hat sich auch die FR nicht zu einer echten monothematischen Titelseite durchringen können. Auch die Folgeseiten wirken seltsam luftig: „Mehr Weißraum“ lautet zwar seit Jahren der Schlachtruf von ZeitungsdesignerInnen. Doch so, wie es die FR umgesetzt hat, wirkt alles seltsam grau und blutleer – obwohl das überregional jetzt 56 Seiten starke Blatt durchgehend farbig gedruckt wird.

Wo bleibt das Positive? Hier: Der Meinungsteil ist auf zwei Seiten angewachsen, von der Optik allerdings komplett dem der Berliner Zeitung nachempfunden. Wen wundert’s: Von dort war Chefredakteur Uwe Vorkötter schließlich 2006 zur FR gewechselt. Auch diverse Doppelseiten funktionieren schon ganz gut, auch wenn anders als angekündigt an der Seiten-Einteilung nach klassischen Ressorts festgehalten wird. Geklappt hat dafür ein anderes Doppelspiel: Die neue FR kann auch von hinten gelesen werden, wo das Magazin auf satten fünf Seiten weiche News, Service und das Wetter präsentiert. Hier liegt vielleicht die größte Herausforderung für FR-Traditionsleser, deren Reaktion mancher in Frankfurt mit gemischten Gefühlen entgegensieht. Sie dürfte aber versöhnen, dass der Rest des Blattes inhaltlich noch arg wie gewohnt daherkommt: Eine komplette Neuerfindung der Rundschau ist dieser Relaunch trotz Formathalbierung noch lang nicht.

Doch gerade darum müsste es gehen, wenn das Blatt neue Leserkreise – vor allem Frauen – erreichen sowie für Anzeigenkunden attraktiver werden will. In Sachen Werbeeinnahmen sieht es bei der Tabloid-Erstausgabe ohnehin völlig mau aus: Außer im beiliegenden achtseitigen Rhein/Main/Hessen-Teil finden sich kaum bezahlte Anzeigen im Blatt. Gut, das Verleger Alfred Neven DuMont, dessen Kölner Konzern heute Mehrheitsbesitzer der FR ist, im Editorial versichert, die Zeitung stehe trotz anhaltenden Sparkurses keinesfalls mit dem Rücken zur Wand.

Auf der Medienseite findet sich dann immerhin noch ein Artikel zu einem weiteren erklärten Ziel der neuen, kleinen FR – der Hoffnung, auch endlich wieder jüngere Menschen anzuziehen. „Ein Bild, das die Herzen der Zeitungsmacher höher schlagen lässt: jüngere Leser“ steht unter dem Aufmacher-Foto. Und was liest der dort zu sehende junge Mann im Vordergrund? Na, hoppla – es ist die taz.