Säbelrasseln wie bei Wallenstein

Über die Zukunft der früheren Kindl-Brauerei in Neukölln streiten Bezirk und Investor. Letzterer will Kommerz, der Bezirk Kultur wie die derzeitige Wallenstein-Aufführung

Auf dem Gelände der früheren Neuköllner Kindl-Brauerei rasseln derzeit die Säbel. Es wird hart gefochten um Macht und Geld in Schillers „Wallenstein“, den das Berliner Ensemble mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle bis Oktober in einer umgenutzten Halle aufführt.

Zwischen dem Neuköllner Bezirksamt und dem Investor des Kindl-Geländes, Manfred Henke, Chef der Heag, rasselt es ebenfalls. Während der Bezirk das Wallenstein-Theater als Modell für die weitere kulturelle Nutzung auf dem Gelände sieht, verfolgt Henke noch andere – überwiegend kommerzielle – Interessen: Über das langgestreckte Brauereigelände soll eine rund „500 Meter lange Einkaufsmall führen“, so der Projektentwickler. Mit einer eigenen Planung für das traditionsreiche Gelände will der Bezirk ein Ausufern von Geschäftsflächen verhindern.

Das rund 50.000 Quadratmeter große Areal zwischen Karl-Marx- und Hermann-, Rollberg- und Neckarstraße war 2005 als Brauereistandort aufgegeben worden. Der Eigentümer, die Radeberger Brauerei, verkaufte das Gelände jüngst der Heag. Nach ersten Verhandlungen nahm Manfred Henke den Plan einer Einzelhandelsfläche von 20.000 Quadratmetern zurück. Bezirk und Henke verständigten sich darauf, den Bereich auch als Kulturstandort zu entwickeln. Wie genau, ist aber offen. Henke will auf Einzelhandel und Wohnnutzung nicht verzichten.

Der Konflikt zwischen den beiden Kontrahenten könnte sich jetzt zuspitzen: Der Bezirk droht Henke, weitere Daumenschrauben bezüglich der Planung anzuziehen. Ein „Sonderausschuss“ der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat vor einer Woche einen Ideenwettbewerb für das zum Teil denkmalgeschützte Kindl-Areal initiiert, „damit konkrete Vorschläge und Pläne für die Zukunft des Ortes entwickelt werden“, wie Thomas Blesing, Neuköllner SPD-Baustadtrat, erklärt.

Der Bezirk fordert eine eindeutige kulturelle Ausrichtung des Geländes. „Wir wollen keine weiteren Einzelhandelsflächen mit Aldi, Lidl oder H&M. Schon jetzt stehen zu viele Geschäfte in der Karl-Marx-Straße leer“, sagt Blesing. Die Vorstellungen des Bezirks gingen „in eine Art Kulturbrauerei Neukölln“. Nach Ansicht von Blesing, aber auch der BVV und des Bezirksbürgermeisters böte „ein Kulturstandort für das schwierige Terrain in Nordneukölln eine „echte“ Chance.

Als möglichen Spielverderber sieht sich der Bezirk nicht. Zwar werde Henke klargemacht, dass er nicht „machen kann, was er will“, so Blesing. Doch sei der Begriff „Kulturstandort“ – von der Musicalproduktion über Gastronomien bis zu Musikveranstaltungsorten – weit gefasst. Im Juli soll die Jury die Ergebnisse des Wettbewerbs vorstellen.

Henke hat bisher nicht gedroht, aus der wohl dreistelligen Neuköllner Millioneninvestition auszusteigen, falls seine Pläne zu sehr beschnitten würden. Außerdem glaubt er an den Mix aus Kommerz und Kultur, dem auch die Wettbewerbsergebnisse gerecht werden könnten. Festhalten will er an seiner Shopping-Mall. Zudem soll ein Hotel entstehen. ROLF LAUTENSCHLÄGER