Sympathisanten im Staatsapparat

Polizisten, Exsoldaten und radikale Nationalisten schützen noch heute die gesuchten Verbrecher

„Das Netzwerk der serbischen Kriegsverbrecher ist vielleicht angeschlagen, aber es existiert“

SPLIT taz ■ Der für 20 Jahre wegen Vergewaltigung verurteilte 39-jährige Radovan Stanković gab vor, Zahnweh zu haben. Am Freitag vor einer Woche sollten ihn neun serbische Polizisten aus der Strafanstalt Foca südöstlich von Sarajevo zum Zahnarzt bringen. Doch dann geschah Spektakuläres. Der Kranke rannte zu einem am Straßenrand abgestellten Auto, in dem der Zündschlüssel steckte. Er gab Gas und fuhr auf und davon.

Die serbisch-bosnischen Polizisten hatten dem Gefangenen nicht einmal Handschellen angelegt. Der Wagen wurde Stunden später in einem Dorf nahe Celibici an der montenegrinischen Grenze gefunden. Das Ganze war wohl organisiert und roch nach einer Aktion des Netzwerkes um die Kriegsverbrecher. Milorad Dodik, der Ministerpräsident des serbischen Teilstaates in Bosnien und Herzegowina, soll getobt haben. Denn das Netzwerk zeigte auf, dass der Wahlsieger von 2006 und neue starke Mann der Serben in Bosnien weder die Polizei noch das Gefängnispersonal seines Staates unter Kontrolle hat.

Überall im Staatsapparat der bosnischen Serben befinden sich Sympathisanten der Kriegsverbrecher. Dem Konglomerat aus Polizisten, Exsoldaten, Kriminellen und radikalen Nationalisten ist es seit 11 Jahren gelungen, die Hauptangeklagten in Den Haag, Ratko Mladić und Radovan Karadžić, vor den Häschern abzusichern. Westliche Geheimdienstleute gehen davon aus, dass die Sympathisanten sogar ganz oben im Staatsapparat sitzen.

„Das Netzwerk der serbischen Kriegsverbrecher ist vielleicht angeschlagen, aber es existiert weiter,“ erklärte gestern ein Mitarbeiter des Staatsgerichts von Bosnien und Herzegowina, das ab 2010 das UN-Tribunal in Den Haag ablösen soll. „Und es gibt weitere Ungereimtheiten. Der 2006 von Den Haag nach Sarajevo gebrachte Stanković wurde von unserem Gericht verurteilt, später aber auf Geheiß der bosnischen Regierung ins Gefängnis nach Foca überführt.“ Und dort ist er jetzt geflohen. ER