Fahrrad sucht Bahn zum Liebhaben

Fahrrad und öffentlicher Nahverkehr – in Berlin sollten sie eigentlich ein perfektes Team sein. Eine kostenlose Mitnahme fürs Velo aber ist nicht in Sicht – und Abstellplätze gibt es längst nicht genug

VON CLAUDIUS PRÖSSER

Berlin ist gut zu Radlern: ebene Topografie, breite Straßen. Auch tagelanger Regen ist selten. Aber die Stadt ist groß, viele Wege sind zu lang, um sie per Pedal zurückzulegen. In seiner 2004 beschlossenen Radverkehrsstrategie hat sich der Senat deshalb das Ziel gesetzt, Radverkehr und öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) optimal zu verknüpfen – durch gute Mitnahmebedingungen in U-, S- und Straßenbahn, aber auch durch mehr und bessere Abstellanlagen. Profitieren sollen alle: Radler kommen schneller ans Ziel, der ÖPNV bekommt durch den vergrößerten Einzugsbereich mehr Kunden, und die Umwelt freut sich sowieso.

Deshalb leuchtet manchem nicht ein, dass die Fahrradbeförderung überhaupt etwas kostet – bei 1,50 Euro liegt das Einzelticket seit 1. April, bei 8 Euro (AB) bzw. 15 Euro (Gesamtnetz) die Monatskarte. Martin Schlegel, Verkehrsreferent beim Umweltverband BUND, fordert, dass die Radmitnahme fester Bestandteil der Umweltkarte wird: „Deshalb hieß sie ja ursprünglich Umweltkarte, um den Umweltverbund aus Rad und ÖPNV zu stärken.“ Auch die grüne Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling hielte die Gratismitnahme für einen „Schritt in die richtige Richtung“. Fraglich sei, ob etwa die hoch verschuldete BVG auf die Einnahmen verzichten könne.

Der Landesvorsitzende des Fahrradclubs ADFC, Benno Koch, verweist auf Verbesserungen für Radfahrer: den Wegfall der Sperrzeiten in der U-Bahn etwa oder die gut markierten, geräumigen Mehrzweckabteile in der S-Bahn. Das Mitnahmeentgelt findet er richtig: „Es wird ja eine Beförderungsleistung in Anspruch genommen.“ Wer es sich leisten könne, solle dafür einen „fairen Preis“ zahlen. „Fahrräder verbrauchen Platz, ihre Mitnahme ist nicht per se ökologisch“, sagt Koch. Für Menschen mit geringem Einkommen sollte der Service aber gratis sein. Das gelte für Schüler, Studenten und Azubis, nicht aber für Fahrgäste mit Sozialticket – ein Manko der aktuellen Tarifordnung, so Koch.

Bei den Unternehmen teilt man die Ansicht, dass die Radmitnahme in Bahn und Bus kein freies Gut sein kann: „Ein Fahrrad nimmt mehr Platz weg als ein Passagier“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. „Wir bieten eine Leistung mit nachrechenbarem Wert.“ Die Monatskarte sei bezahlbar und gebe enorme Mobilität. Einen Verzicht auf die entsprechenden Einnahmen könne man sich nicht leisten: „Das Land Berlin erwartet von uns den Abbau unserer Schulden.“

Auch beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der die Tarifgestaltung koordiniert, sieht man das so: „Der ÖPNV finanziert sich zur Hälfte aus Fahrgasteinnahmen und zur anderen Hälfte aus öffentlichen Mitteln“, so VBB-Sprecherin Gabriele Mittag. „Wenn man Verbesserungen wie die kostenlose Mitnahme von Rädern will, müssten die öffentlichen Mittel aufgestockt oder andere Angebote verteuert werden.“ Dabei sei es schon ein Kunststück, dass Angebote wie das Sozialticket erhalten blieben.

Logistische Probleme hat man offenbar auch: Im Regionalexpress zwischen Berlin und Potsdam gibt es regelmäßig Ärger, weil viele Studenten den Zug mit Rad nutzen. Und laut S-Bahn-Sprecher Gisbert Gahler agiert sein Unternehmen zur Rushhour „an der Grenze der Mitnahmekapazitäten“. Auf den U-Bah-Linien, die Berlins Unis ansteuern, gibt es laut BVG-Sprecherin Reetz solche Probleme nicht.

Bei den Abstellmöglichkeiten erkennt Reetz einen klaren Vorsprung der S-Bahn an. Das liege auch daran, dass die BVG für Fahrradbügel öffentliches Straßenland nutzen müsse – was oft zu Konflikten mit Bezirksämtern führe. Am Endbahnhof der U 5 in Hönow hat die BVG jetzt als Pilotprojekt eine Anlage für 3.000 bis 4.000 Fahrräder errichtet. „Stellplätze an allen 175 Bahnhöfen wird es wohl nie geben“, schränkt Reetz allerdings ein. Von den 165 S-Bahnhöfen in und um Berlin sind derzeit 71 mit modernen, teils überdachten Abstellanlagen ausgestattet, 52 davon in Berlin.

Für Claudia Hämmerling ist das Radparken ein „leidiges Thema“: „Wo man auf Pkw-Stellplätze verzichten müsste, passiert erfahrungsgemäß nichts.“ Die Grüne kritisiert auch, dass die Ausstattung von Bahnhöfen mit Fahrstühlen kaum vorankommt. Noch gebe es auf über 130 S- und U-Bahnhöfen keinen Aufzug. Auch das verleide vielen Radfahrern die Kombinutzung.