„Die Kirchen sind Wahrzeichen“

Unter dem Motto „Bewahrt die Hamburger Hauptkirchen“ rufen deren PastorInnen mit Ole von Beust zu Spenden auf. Ein Gespräch mit Ulrike Murmann, Hauptpastorin an St. Katharinen

ULRIKE MURMANN, 45, ist seit 2005 Hauptpastorin an der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen.

INTERVIEW: FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Frau Murmann, die fünf Hamburger Hauptkirchen haben einen Renovierungsbedarf von 24 Millionen Euro bei einem Kirchensteueretat von 350.000 Euro. Ist der Erhalt ein Fass ohne Boden?

Ulrike Murmann: Der Sanierungsbedarf übersteigt immens die Finanzleistungen, die eine Kirchengemeinde aufbringen kann. Deswegen sind wir ja an die Öffentlichkeit gegangen und haben uns an den Senat gewandt.

Mit dem Zuschuss von zwei Millionen Euro, den der Senat gestern zugesagt hat, wird es kaum getan sein.

Das sehe ich genauso. Die Veranstaltung sollte ein Anschub sein, damit können wir, so hoffe ich, die dringendsten Sanierungsaufgaben übernehmen. Ich hoffe, dass sich andere jetzt aufgerufen fühlen, uns zu unterstützen.

Hat sich der Senat dauerhaft verpflichtet?

Nicht wörtlich. Aber ich habe den Eindruck, dass die gestrige Zusage so etwas wie ein Bekenntnis zum langfristigen Erhalt bedeutet, und insofern erwarten wir auch, dass er uns weiterhin hilft.

Kritiker werden sagen, dass ein solcher Zuschuss eigentlich nicht mit der Trennung von Staat und Kirche vereinbar ist.

Diese Kirchen sind mehr als Kirchen, sie sind Kulturträger, Denkmäler. Sie sind so etwas wie Wahrzeichen für Hamburg. und das hat der Senat erkannt.

Und die Restsumme?

Wir hoffen, dass unser Appell einen Impuls in die Stadt gibt und BürgerInnen und UnternehmerInnen erkennen, welchen Schatz sie hier haben. Wir bauen die Hafencity, aber wir können doch nicht erlauben, dass daneben St. Katharinen verfällt.

Spätestens seit Ende des 2. Weltkrieges haben die meisten großen Innenstadtkirchen keine oder sehr kleine Gemeinden. Erhält man dann nur noch Denkmäler ohne Inhalt?

Die drei Hauptkirchen Jakobi, St. Petri und St. Katharinen haben kaum Gemeindemitglieder, die vor Ort wohnen. Aber wir haben einen großen Kreis von Kirchenmitgliedern oder Freunden, die zu uns kommen. Deshalb sagen wir, dass die Innenstadtkirchen Kirchen für die ganze Stadt sind. Gerade hatten wir einen Gottesdienst zum G 8-Gipfel mit Musikern und einer Schulklasse aus Billstedt, und dafür bieten diese Räume die notwendige Größe.

Sind dann auch die Kirchenbänke gefüllt?

Ja, rappelvoll. Und wenn wir Konzerte veranstalten, zum Beispiel das Weihnachtsoratorium, dann sind alle fünf Hauptkirchen voll.

Dann ist die Kirche ein Konzertsaal mit Altar als Kulisse.

Die Andachtsformen, die wir hier entwickeln, sind sehr unterschiedlich. In St. Petri an der Mönckebergstaße, der großen Hamburger Einkaufsstraße, gehen mehr als 1.000 Menschen täglich. Und viele nutzen die Kirche als Ort der Stille, zünden eine Kerze an und beten. Da vermischen sich dann Kultur- und Andachtsraum.

Aber diese Besucher kommen nicht, um beim Bazar zu helfen, und Kirchensteuer zahlen sie auch nicht unbedingt.

Genau. Das ist aber von der gesamten Kirche so gewollt. Die 350.000 Euro, die die Hauptkirchen jährlich bekommen, bekommen sie vom gesamten Kirchenkreis, damit sie ihre Arbeit machen können.