„Großkraftwerke ohne Zukunft“

Muss das gebeutelte Bremen beim Klimaschutz Abstriche machen und das Kohlekraftwerk akzeptieren? Nein, findet BUND-Geschäftsführer Martin Rode. SPD und Grüne diskutieren heute INTERVIEW ARMIN SIMON

taz: Herr Rode, was ist Ihnen lieber: ein Kohlekraftwerk in Bremen oder eins in Nordenham?

Martin Rode: Gar keines. Dem Klima ist egal, wo das steht.

In Bremen könnte es wenigstens noch Steuereinnahmen und Arbeitsplätze bringen.

So würde ich auch argumentieren an Stelle der SWB. Aber das Argument zieht nicht. Die Diskussion um die Kohlekraftwerke wird ja anderswo genauso geführt - und das ist auch richtig so. Wir sollten nicht so tun, als ob wir uns in Bremen da einfach ausblenden und - Klima hin, Klima her - unseren bremischen Standort angucken können.

Das sieht der Wirtschaftssenator sicher anders.

So ein Kraftwerk wird schlüsselfertig eingekauft, die Milliarde also woanders ausgegeben. Und für die 70 Arbeitsplätze, die im Kraftwerk entstehen sollen, fallen mittelfristig deutlich mehr in anderen Kraftwerken weg.

Bedeutet ein Nein zum Kohlekraftwerk das Aus für die Stromerzeugung in Bremen?

Für die großtechnische möglicherweise. Die wird aber in 30 bis 50 Jahren sowieso auslaufen. Dafür wird es einen massiven Boom von Kleinkraftwerken geben: Windkraftanlagen, Solaranlagen, das Wasserkraftwerk, unterstützt durch Kleinkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung.

Es gibt aber einen so genannten Grundlast-Bedarf an Strom.

In 20 Jahren werden die erneuerbaren Energien auch davon wesentliche Teile decken können. Bis dahin wird man um das eine oder andere neue Kraftwerk sicher nicht herumkommen.

Also hat die SWB doch Recht mit ihren Kraftwerks-Plänen?

Nein. Aus Klimaschutz-Gesichtspunkten muss man die Abwärme der Kraftwerke nutzen. Das geht nur in kleinen Einheiten. Das geplante SWB-Kohlekraftwerk würde nur die Weser aufheizen - Wärme, die ausreichen würde, um alle Bremer Haushalte im Winter zu versorgen.

Dezentrale Kraftwerke wären aber teurer.

Genau. Letztlich geht es vor allem um die Rentabilität des Projektes. Ich nehme der SWB gerne ab, dass unter den heutigen Rahmenbedingungen mit einem großen Kohlekraftwerk das meiste Geld zu verdienen ist. Aber mit anderen Projekten kann man auch Geld verdienen. Und langfristig ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Rahmenbedingungen unverändert bleiben. Bisher werden die CO2-Zertifikate ja praktisch verschenkt. Das wird schon aus klimapolitischen Notwendigkeiten heraus nicht so weitergehen. Ein Kohlekraftwerk amortisiert sich frühestens nach 30 Jahren. Das kann sich als ganz schöne Fehlinvestition entpuppen.

Was raten Sie der SWB?

Sich nicht langfristig auf den falschen Pfad festzulegen. Sondern Investitionen auf die Zukunft auszurichten: auf erneuerbare Energien und Energiesparen.

Kohlekraftwerk plus erneuerbare Energien - ist das ein denkbarer Kompromiss?

Er löst das Grundsatzproblem nicht: Mit Kohlekraftwerk können wir unsere Klimaschutzziele nie und nimmer erreichen. Die SWB muss akzeptieren, dass sie auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung hat.