De Maizière unter Beschuss

Parteifreund wirft Kanzleramtsminister in Sachsen-Affäre „glatten Rechtsbruch“ vor

DRESDEN taz ■ In der sächsischen Korruptionsaffäre erheben nun auch eigene Parteifreunde schwere Vorwürfe gegen Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU). Vor seiner Berufung nach Berlin war de Maizière bis zum Jahr 2005 Innenminister in Sachsen und damit für den Verfassungsschutz zuständig. Der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz (PKK), Gottfried Teubner (CDU), kritisierte in der Leipziger Volkszeitung, dass der Geheimdienst brisantes Aktenmaterial über die Verflechtung von Politik, Justiz und organisierter Kriminalität jahrelang nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet habe. Dazu verpflichtet ihn in schwerwiegenden Fällen das sächsische Verfassungsschutzgesetz. Der damalige Innenminister habe die Vorschriften „nicht ganz für voll genommen“, sagte Teubner. Das sei „glatter Rechtsbruch“.

Der CDU-Landtagsabgeordnete personifizierte damit die Kritik, die von der PKK bereits am Landesamt für Verfassungsschutz geäußert worden war. Auch der in der PKK vertretene SPD-Abgeordnete Stefan Brangs hatte in der Landtags-Sondersitzung am Dienstag de Maizière angegriffen und nach dessen Verantwortung gefragt.

In einem MDR-Interview hatte de Maizière zuvor eingeräumt, von den Akten und den Verstrickungsvorwürfen gewusst zu haben. Erster Kritik war er mit dem dürren Hinweis begegnet, die „damalige Erkenntnisdichte“ sei nicht ausreichend für eine Strafverfolgung gewesen. Er habe aber entschieden, die Fälle weiter vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, was sich aus heutiger Sicht als richtig erweise.

In Auswertung der Landtags-Sondersitzung hat sich die Linksfraktion mittlerweile entschlossen, in der nächsten Sitzungswoche des Parlaments im Juli einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Mit ihren 31 Abgeordneten kann sie dieses Minderheitenrecht allein durchsetzen. Aber auch Vertreter von Grünen, FDP und dem Koalitionspartner SPD hatten ihre Unterstützung angedeutet. Wegen der kritischen Haltung einiger SPD-Abgeordneter, die in Teilen einem Aufklärungsantrag der Linksfraktion zustimmen wollten, hatte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) auf der Sitzung seiner Fraktion mit einem Koalitionsbruch gedroht. Die beiden SPD-Minister würden sofort ihre Entlassungsurkunden erhalten, kündigte er an.

Die PKK bestätigte inzwischen, dass der Verfassungsschutz bereits Akten vernichtet hat. Es soll sich um Kopien handeln, deren Inhalt angeblich nicht im Zusammenhang mit den aktuellen Ermittlungen steht. Der grüne Innenpolitiker Johannes Lichdi äußerte den Verdacht, dem Verfassungsschutz sei 2003 auf CDU-Betreiben nur deshalb die zuvor vom Landeskriminalamt geführte Beobachtung der organisierten Kriminalität übertragen worden, um die brisanten Akten unter Verschluss halten zu können. Nach unbestätigten Gerüchten soll es sich bei dem Material weitgehend um die Akten handeln, die das Landeskriminalamt 2002 bei eigenen Ermittlungen beschlagnahmt hatte. MICHAEL BARTSCH