Konzert: Der Milchbart als Popstar

Justin Timberlake gab sein Bestes, sein Konzert als Star - nicht als Bübchen zu verlassen. Geklappt hat das nicht so ganz, Soundmeister Timbaland stahl ihm die Show.

Nicht-Milchbart Timbaland - die wahre Show! Bild: Universal

Weiß bleibt die Farbe des Sommers und Leggings sind nicht mehr aufzuhalten - das konnte am Mittwochabend vor der Max-Schmeling-Halle amtlich festgestellt werden.

Wohin man blickte, weiße Tops, weiße Leggings, weiße Haarklämmerchen auf blondierter Haarverlängerung, weiße Ballerinaschläppchen, durchsichtige BH-Träger unter weißen "Neckholdern" und nur vereinzelt pinkfarbene "Mrs. Timberlake"-Shirts.

Drinnen, in der fast ausverkauften Halle, verhieß der komplizierte Bühnenaufbau nichts Gutes. Eine kreuzförmige Konstruktion mit mehreren Laufstegen ruhte drohend inmitten der Halle, darüber thronten gewaltige Stahlkränze mit Scheinwerfern und Kameras. Dann senkten sich transparente Vorhänge herab, die als Videoschirme dienten. In ihnen zeichneten sich die Silhouetten der neun Tänzer und vier Backgroundsänger ab, während die siebenköpfige Band aus dem Untergeschoss emporgefahren kam.

Inmitten all des Budenzaubers Justin Timberlake im sexy Designeranzug, ganz lässig und cool. Da glaubt man fast schon, was vorher überall zu lesen war: "Justin jetzt echter Popstar! Geglückte Entwicklung vom Mickey-Mouse-Club über Boybandfünftel zum Weltstar!" Seine Tänzer halten sich gar nicht erst mit dem Synchronizitätsgebot auf, es scheint, als tanze jeder, wie er will, aus Freude an der Musik. Dazwischen tut man sich wie zufällig zum Gentleman-Verbrecher-Walk zusammen, Justin immer mittenmang. Hin und wieder tanzt er sogar ein selbstironisches Boygroupzitat, in seltenen Momenten gar wie Michael Jackson und singt dazu wie Prince.

Sämtliche Stücke der aktuellen CD "Futuresex/Lovesounds", aber auch die Hits des ersten Albums "Justified" kommen zur Aufführung. Die Musik ist aber, wie so oft bei Livekonzerten dieser Größenordnung, der Schwachpunkt. Die komplexen Timbaland-Rhythmen sind live nicht herauszuhören, im großen Ganzen klingt alles nach verwaschenem, aufgeblasenem Chartsfunk. Bei all dem Gewusel auf der Bühne verliert man zudem leicht den Überblick, die Videovorhänge senken und heben sich ständig und verschleiern das Geschehen auf der anderen Bühnenseite. Auch als Timberlake mit einem behäbigen Mann im weißen T-Shirt auf die Bühne kommt, kann man nur erahnen, dass es sich wohl um den Produzenten Timbaland handeln muss. Der liefert in einem 20-minütigen Intermezzo eine Multimedia-Show aus Beats, Rap und Bildern, fährt musikalisch und visuell seine lebende und tote Kundschaft von Nelly Furtado bis Aaliyah auf.

Die Halle, inzwischen ganz Tanzfläche, rastet aus, und als dann Justin Timberlake zurückkommt, wird die Zeit mit ihm doch arg lang. Ist der so verrucht unrasierte Star nicht doch vielleicht nur ein Milchbart? Dabei gebärdet er sich doch vorbildlich als hingebungsvoller Bühnenarbeiter, spielt Gitarre und Klavier und zeigt auch nach zwei Stunden Dauertanz keine Erschöpfungsanzeichen. Aber seine Ausstrahlung sinkt minütlich, man vermisst jede Leidenschaft, dazu gemahnen Musik und Chorbegleitung zunehmend an die Schmachtgesänge aus N Sync-Zeiten. So kommt hinter der Fassade des smarten Justin Timberlake immer mehr die langweilige Fratze des farblosen Ehrgeizlings aus der Boyband zum Vorschau.

Schlimm wird es, als ein Streichorchester und eine sinnlos durch die Luft schwebende Violine auf die Bühne projiziert werden und sich gar ein virtueller Gospelchor dank Zaubervorhängen um Justin gruppiert. Schön wird es dann aber bei "Cry me a River", weil die ganze Halle mitsingt und die Handydisplays so stimmungsvoll leuchten. Als nach mehreren Pianoballaden Schluss ist, geht man trotzdem mit dem Gefühl nach Hause, dass Justin Timberlake allgemein etwas überbewertet wird.

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