Alte Kiste, neue Farben

Nach langen Jahren hat die taz-Fassade am Wochenende frische Farbbeutel abbekommen. Es tut sich also was, bloß was? Schaut die radikale Linke wieder vorbei?

Eine schöne Sonntagmorgen-Überraschung: unübersehbar prangen neun riesige Flecken auf der Fassade des taz-Gebäudes – rot, gelb und rosa. Interessanterweise sind die Farbbeutel auf der Glasfassade des Neubaus niedergegangen, was ihre Lebenszeit deutlich reduzieren dürfte: von Glas lässt sich auch die hartnäckigste Farbe relativ einfach entfernen. Leichter als von Stein auf jeden Fall, wie man mit Blick auf den benachbarten Altbau feststellen kann, wo die alten Farbbeutel aus den späten Achtzigern und frühen Neunzigern noch immer nicht vollkommen verblichen sind.

Ist die Zeit des gegenseitigen Desinteresses von taz und radikaler Linker nach langen Jahren der friedlichen Koexistenz vorbei? So nervig die Besetzung durch die studentischen Aktivisten vor drei Jahren war: ein wenig kam sie einem damals auch vor wie der Schlussakt einer langen, anstrengenden und erfüllten Beziehung. Noch mal, dachte man sich, kommen die wahrscheinlich nicht. Was mit einem Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit einherging. Die „taz lügt“-Graffiti sind übermalt, fast alle Gründer haben die Zeitung verlassen. Niemand will uns mehr besetzen. Wo ist eigentlich links?, fragt man sich manchmal nach den Redaktionskonferenzen.

Und nun? Grüßt man sich wieder. Es gibt G-8-Seiten und Farbbeutel. Was ist passiert? Hat ein konkreter Artikel eine Gruppe erbost? Oder ist es ein Zitat? Was auch einiges für sich hat. Der ganze Schwarze Block kommt einem dieser Tage vor wie ein großes Zitat, das schlaue Medienaktivisten benutzen, um die maximale Lesbarkeit ihres Anliegens sicherzustellen. Wobei maximale Lesbarkeit immer minimale Komplexität bedeutet. Was heißt das in diesem Fall? Ein Bekennerschreiben ist bis zum Mittag nicht eingetroffen. TOBIAS RAPP