Lehrer sollen streiken lernen

Die Gewerkschaft GEW fordert angestellte Lehrer auf, die Arbeit heute ruhen zu lassen. Sie will Löhne durchsetzen, die in anderen Ländern längst gezahlt werden. Morgen Gespräch mit dem Innensenator

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Die Schüler des Knobelsdorff-Oberstufenzentrums in Spandau sind nicht zu beneiden. Hitzefrei? Das gibt es an ihrer Schule grundsätzlich nicht. Heute könnten sie trotzdem zu der ein oder anderen Freistunde kommen. Denn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die angestellten Lehrer der Schule zu einem Warnstreik aufgerufen. Sie rechnet mit etwa 30 Pädagogen, die die Arbeit niederlegen.

Die Gewerkschaft fordert für die rund 4.400 nicht verbeamteten Lehrkräfte Berlins eine Anpassung an die in anderen Bundesländern geltenden Tarife. Berlin hatte den bundesweiten Tarifvertrag vom November vergangenen Jahres wie auch Hessen nicht übernommen. „Die angestellten Lehrkräfte anderer Länder verdienen im Vergleich sechs bis zehn Prozent mehr“, sagte gestern GEW-Sprecher Peter Sinram. Eine angestellte Berliner Gymnasiallehrerin berichtet, brutto rund 3.500 Euro zu bekommen, netto blieben davon 2.000. In Hamburg verdient ein Lehrer in vergleichbarer Stellung etwa 4.000 Euro brutto.

Zwar will sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) morgen erstmals wieder mit den Vertretern der Gewerkschaft zu einem Gespräch treffen. Eine weitere Zusammenkunft ist in zwei Wochen geplant. Eine Sprecherin der Innenverwaltung betonte jedoch, es handle sich dabei „nicht um Tarifverhandlungen“. Entsprechend kämpferisch gibt sich die GEW. „Auch am Mittwoch soll es an zwei Schulen in Tempelhof-Schöneberg noch Streiks geben“, sagte Sinram. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) kritisierte gestern dieses Vorgehen. Ein Warnstreik gehe zulasten der Schüler.

Hintergrund ist die Diskussion um die Abwanderung junger Lehrkräfte. „Es ist kein Wunder, dass viele junge Lehrer in andere Bundesländer gehen. Schließlich verdienen sie dort rund 500 Euro mehr“, sagte gestern Eberhard Laube von der Vereinigung der Berliner SchulleiterInnen.

Özcan Mutlu (Grüne) forderte den Senat auf, den tariflosen Zustand zu beenden. Als Senat und Gewerkschaften 2003 den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst unterzeichneten, blieben angestellte Lehrer außen vor. Weder bei der Zahl der Neueinstellungen noch bei der Arbeitszeit hatte man sich einigen können.

Wie viel ein Streik der angestellten Lehrer bewirkt, bleibt abzuwarten. Von den insgesamt 28.700 Berliner Lehrern sind weniger als ein Sechstel Angestellte. Der Leiter der Knobelsdorff-Schule, Klaus Giesert, lässt sich jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen. 170 Pädagogen arbeiten an seiner Schule. „Wenn jemand streiken will, werden wir eine Vertretung organisieren.“