Obdachlosigkeit künstlich abgewendet

Auch zukünftig soll es für Künstlerinnen und Künstler günstige Ateliers vom Land geben. Der Senat will das 1,2 Millionen Euro starke Förderprogramm für seine insgesamt 740 „Künstlerarbeitsplätze“ erhalten und mit EU-Mitteln ausbauen

Die Künstler auf dem früheren Rotaprintgelände in Wedding und in den Ateliers über den Dächern von Kreuzberg 36 werden die Botschaft mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen: Der Senat will seine Atelierförderung auch im Doppelhaushalt 2008/09 nicht reduzieren. Angestrebt wird, den Etat in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro jährlich beizubehalten und durch zusätzliche Mittel aus dem EU-Regionalfonds (Efre) erhöhen. Zudem soll das Raumprogramm für Künstlerinnen und Künstler nach Möglichkeit weiterentwickelt werden. Dies beschlossen die Kulturverwaltung sowie alle Fraktionen des Kulturausschusses gestern im Abgeordnetenhaus.

Der jetzige Beschluss ist umso bedeutsamer, gab es doch um die Ateliers heftigen politischen Streit. Im Jahr 2005 etwa sperrte das Parlament die Fördermittel für die Ateliers, die vom Land angemietet und zu vergünstigten Mietpreisen an professionelle Künstler weitergegeben werden. Für erneuten Krach sorgten kürzlich drei aktuelle Atelier- und Kulturstandorte – darunter das Rotaprint-Areal in Wedding –, die der Liegenschaftsfonds des Landes veräußern wollte. Nach Protesten sollen sie jetzt den Künstlern zum Kauf angeboten werden.

Nach Ansicht von SPD-Kulturstaatssekretär André Schmitz seien die Ateliers für Künstler „wichtig und nötig“ und für die „herausragende“ Entwicklung der bildenden Kunst in der Stadt auch ohne Alternative. Deshalb müsste das Programm sowohl in den kommenden Haushaltsberatungen wieder aufgelegt als auch nach neuen Wegen und Konzepten gesucht werden, um die Künstlerateliers zu erhalten, zu fördern und neue Standorte auszubauen. Das Land fördert aktuell 740 sogenannte „Künstlerarbeitsplätze“ in landeseigenen oder privaten Liegenschaften. Seit dem Jahr 2005 sind mehr als 40 Plätze hinzugekommen.

Für die Weiterentwicklung des Atelier-Konzepts will Schmitz vermehrt in „öffentliche Gebäude investieren“. Weil derzeit rund die Hälfte aller geförderten Räume sich in privaten Immobilen befinden und damit dem Markt unterworfen seien, sollten zukünftig mehr landeseigene Liegenschaften als Atelierstandorte aufgetan werden.

Als Beispiel nannte Schmitz ein 4.000 Quadratmeter großes, denkmalgeschütztes Gebäude in der Neuköllner Teupitzer Straße, das derzeit als Standort geprüft werde. Zugleich wies der Kulturstaatssekretär darauf hin, dass die zirka 360 Plätze für das Künstlernachwuchsprogramm ebenfalls gesichert werden sollten.

Auch Exkultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) unterstützte die Linie von Schmitz, „dass das Land Flächen aus dem Immobilienmarkt herausnehmen“ sollte. Außerdem wies er darauf hin, dass die Zahl der Ateliers wachsen müsse, schon allein, „um dem steigenden Bedarf zu genügen“. Oliver Schruoffeneger (Grüne) erinnerte daran, dass die ökonomische Situation der meisten Künstler prekär sei. Es gebe darum „zwei- bis dreimal so viel Bewerber wie vorhandene Ateliers. Deshalb müsse das Angebot steigen.

ROLF LAUTENSCHLÄGER