Auf der Suche nach neuem Kurs

Derzeit laufen die Verhandlungen über einen neuen Verkehrsvertrag zwischen dem Land und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Der Senat will die BVG mehr in die Pflicht als Dienstleister nehmen

VON JENS GRÄBER
UND ANNA LEHMANN

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Senat verhandeln offiziell seit gestern über einen neuen Verkehrsvertrag. Inoffiziell liefen die Gespräche bereits seit längerer Zeit, erklärten gestern beide Seiten. Über den Stand der Verhandlungen war nichts zu erfahren: Es gebe eine Absprache, keine Informationen weiterzugeben, sagte ein Sprecher der BVG. Auch zur Position der BVG in den Verhandlungen wollte er nichts sagen.

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilte mit, es werde an einem neuen Tarifsystem gearbeitet. Ziel der Verwaltung sei es, von spontanen jährlichen Fahrpreiserhöhungen wegzukommen – stattdessen soll die Entwicklung der Fahrpreise längerfristig geplant werden.

Die BVG wünscht sich offenbar, künftige Erhöhungen vertraglich festzuschreiben. Das Land Berlin will die Höhe seiner Zuschüsse allerdings von den Leistungen der Verkehrsbetriebe abhängig machen. Vorbild sei die Regelung, die bereits mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, zu dem auch die S-Bahn gehört, getroffen worden sei, sagte die Sprecherin.

Christian Gaebler, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, erklärte, Grundlage der laufenden Verhandlungen seien die vom Senat im Jahre 2006 beschlossenen „Eckpunkte“ für einen neuen Nahverkehrsplan. Danach müssen mehr als 90 Prozent der Busse den Fahrplan einhalten, maximal drei Minuten Verspätung sind erlaubt. Bei der U-Bahn müssen sogar 95 bis 97 Prozent der Fahrzeuge pünktlich sein, die Pünktlichkeit der Straßenbahn soll zwischen diesen beiden Werten liegen. Die Einhaltung dieser Vorgaben solle durch ein „Bonus-Malus-System“ erreicht werden, sagte Gaebler – also weniger Geld bei schlechter Leistung, aber auch mehr Zuschüsse bei besserer Leistung. Die Verkehrsbetriebe sollten in Zukunft Dienstleister sein, so Gaebler, und dann gelte: „Wer bestellt, bestimmt auch.“

Nach dem alten Vertrag seien die Verkehrsbetriebe nicht verpflichtet gewesen, Anweisungen des Senats zu befolgen. Den gestiegenen Einfluss wolle die SPD künftig nutzen, um zum Beispiel die Erhaltung der Straßenbahnlinien durchzusetzen. Meldungen, wonach die Einnahmen der BVG künftig um mindestens 2 Prozent pro Jahr steigen sollten – bislang waren es 3 Prozent –, bestätigte Gaebler nicht.

Claudia Hämmerling von den Grünen warf dem Senat vor, er zwinge die BVG dazu, unwirtschaftlich zu arbeiten – etwa indem das Unternehmen gezwungen werde, auf verlustreichen Strecken zu verkehren. Eine falsche Rahmenpolitik führe etwa dazu, dass attraktive Bauvorhaben wie für die Strecke zwischen dem Potsdamer und dem Innsbrucker Platz nicht umgesetzt würden. Unrentable Strecken hingegen wie die Straßenbahnlinie 61 in Köpenick sollten veräußert werden. „Sonst bleibt der BVG kaum etwas anderes übrig, als die Fahrpreise zu erhöhen“, so die Verkehrspolitikerin.