IHK vermisst die große Idee

ROT-ROT-GRÜN Wirtschaftslobbyisten verteilen Lob und Tadel für die künftige Koalition

„Diese Stadt deutlich fahrradfreundlicher zu machen, finden auch wir gut“

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer

Die neue rot-rot-grüne Koalition löst bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) als führender Wirtschaftsvertretung der Stadt gemischte Gefühle aus. Den Vertrag, in dem SPD, Linkspartei und Grüne ihre Zusammenarbeit in den nächsten fünf Jahren regeln, ist für Hauptgeschäftsführer Jan Eder „ein Besinnungsaufsatz, der mit wachender Zeit an Relevanz verlieren wird.“ Er sehe darin, sagte der hauptamtliche Kopf der Kammer am Donnerstagabend vor Journalisten, zu viel Klein-Klein und vermisste eine übergeordnete Idee wie 2011 bei der rot-schwarzen Koalition das Thema Wirtschaft. Eine fast deckungsgleich Einschätzung war tags zuvor schon von CDU-Fraktionschef Florian Graf zu hören gewesen.

Etwas positiver drückte es Eders ehrenamtliche Präsidentin Beatrice Kramm aus, die in diesem Jahr den langjährigen IHK-Chef Eric Schweitzer ablöste: Sie mochte kleine Schritte nicht grundsätzlich klein reden, „aber Schritte brauchen einen Weg, und den muss man vorzeichnen“.

Über die bisherige grünen Fraktionschefin Ramona Pop als künftige Wirtschaftssenatorin – die Regierungsmitglieder werden nach jetziger Planung am 8. Dezember ernannt – äußerte sich die IHK-Spitze lobend. „Die Neuausrichtung der Wirtschaftsverwaltung ist aus Sicht der Wirtschaft gut gelungen“, sagte Kramm. Pop hatte in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass das mit ihr das Wirtschaftsressort auch für die Energiepolitik und die landeseigenen Betriebe Berlins zuständig ist, während der Bereich Forschung wieder zum Bereich Wissenschaft kommt. Für dieses Ressort soll künftig Regierungschef Michael Müller (SPD) verantwortlich sein.

Mit mehr Platz für Radfahrer, wie ihn die künftige Koalition vorsieht, hat die IHK derzeit kein Problem: „Diese Stadt deutlich fahrradfreundlicher zu machen, finden auch wir gut“, sagte Eder. Wie schon in früheren Jahren vermisse er modern arbeitende und effiziente Behörden: „Der größte Standnachteil ist die Berliner Verwaltung.“

Der künftigen Koalition gestand er allerdings zu, die zentralen Probleme des Landes – neben dem Zustand der Schulen und dem Baustellenmanagement eben die Verwaltung – erkannt zu haben. Vorbehalte von Unternehmen gegenüber einer linken Regierung, wie es sie nach Bildung der rot-roten Koalition 2002 gab, erwartet Eder nicht. „Das ist vorbei.“ Stefan Alberti