Lobbyarbeit statt Kontrolle: Der deutsche Gentech-Filz

An zentralen Stellen in den Gentech-Genehmigungsbehörden sitzen Wissenschaftler, die - laut einer neuen Studie - in Lobbyvereinen eng mit Industrievertretern zusammenarbeiten.

Bei der Risikoabschätzung des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen durch Genehmigungsbehörden kann längst nicht mehr von Unabhängigkeit die Rede sein. Bild: dpa

BERLIN taz | Bei der Begutachtung und Risikoabschätzung des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen durch die bundesdeutschen Genehmigungsbehörden kann längst nicht mehr von Unabhängigkeit und Transparenz die Rede sein.

"Durch eine enge Verflechtung zwischen Beamten, Wissenschaftlern, Industrievertretern und Lobbyorganisationen droht selbst der Politik die Kontrollmöglichkeiten zu entgleiten", sagte die Agrarexpertin der Grünen Ulrike Höfken. Die Bundestagsabgeordnete stützt ihre Kritik auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie über den Gentech-Filz in den deutschen Genehmigungsbehörden.

Gerüchte und einzelne Meldungen über Interessenkonflikte bei Mitarbeitern von Genehmigungsbehörden gab es in den letzten Jahren immer wieder. "Dass das aber in einem solchen Ausmaß stattfindet, das hat selbst mich überrascht", sagte Christoph Then, einer der beiden Autoren der Studie. Then kennt sich in der Gentech-Szene aus, hat er doch lange Zeit bei Greenpeace zur Gentechnik gearbeitet. Vor allem, dass der Filz auf so vielen Ebenen stattfindet, habe er nicht erwartet.

Anhand mehrerer konkreter Beispiele haben die beiden Autoren aufgezeigt, wie weit die Verflechtungen gehen und welche Auswirkungen es haben kann, wenn an zentralen Behördenstellen industriefreundliche Wissenschaftler arbeiten. Zum Teil vergessen die eigentlich bei einer Bundesbehörde beschäftigten Wissenschaftler, für wen sie gerade arbeiten. Für die von ihnen selbst mitgegründete Lobbyorganisationen wie etwa dem Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik (WGG) oder der Bundesbehörde. Da kommt dann auch schon einmal einiges auf dem Briefkopf durcheinander.

Erhellend sind die von Christoph Then und Mitautorin Antje Lorch beschriebenen konkreten Fälle. Etwa das fragwürdige Zulassungsverfahren für die einzige in Europa zum Anbau zugelassene Gentech-Pflanze, den Mais MON 810 von Monsanto.

So zeigen die Autoren auf, dass Mitarbeiter des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zusammen mit Industrievertretern und Wissenschaftlern, die ein großes Interesse daran haben, Freisetzungen durchzuführen, die Kriterien und Auflagen für die künftige wirtschaftliche Nutzung ausarbeiten und vorschlagen. Die amtlichen Wissenschaftler weisen dabei darauf hin, dass sie in diesen Gremien nur als Privatpersonen mitarbeiten. Später werden sie sich dann als Amtsperson damit beschäftigen - nämlich dann, wenn sie kraft ihrer Funktion in der Bundesbehörde ihre eigenen, zusammen mit der Industrie ausgearbeiteten Vorschläge als verbindlich festlegen. So hatte Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) im Frühjahr 2007 das BVL angewiesen, die kurz zuvor erlassene Vertriebsgenehmigung für MON 810 zu widerrufen.

Das Vertriebsverbot kam jedoch erst, nachdem das Maissaatgut schon im Boden war. Der Grund für das Vertriebsverbot waren ein fehlender Monitoring-Plan, mit dem die Umweltauswirkungen des Gentech-Anbau über einen längeren Zeitraum untersucht werden sollen. Obwohl nach EU-Recht ein Monitoring-Plan vorgeschrieben ist, hatte das BVL nichts gegen den Anbau unternommen. Ganz im Gegenteil: Der Leiter des Gentech-Gruppe beim BVL protestierte intern bei der BVL-Leitung gegen das Vertriebsverbot, obwohl das EU-Recht hier eindeutig ist. Laut Studie soll das BVL das Vertriebsverbot für MON 810 verzögert haben, so dass es für die Anbauperiode zu spät kam.

Den Monitoring-Plan für MON 810 legte Monsanto erst im Ende 2007 vor. Während das BVL sehr schnell dabei war, den Monitoring-Plan gutzuheißen und das Vertriebsverbot für MON 810 wieder aufhob, bemängelte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) die Begleitungsuntersuchungen als mangelhaft und unzureichend.

Ursprünglich kam der Monitoring-Plan in seinem groben Zügen vom BVL. Dabei sollten auf mehrere bereits bestehende Biomonitoring-Netzwerke zugegriffen werden - etwa dem Tagfalter-Monitoring, das vom Helmholtz-Zentrum in Halle koordiniert wird. Auf Grundlage dieser Vorschläge reichte dann Monsanto seinen Monitoring-Plan ein. Peinlich nur, dass die bestehenden Biomonitoring-Netzwerke nicht davon informiert worden waren, dass sie jetzt auch für Monsanto arbeiten sollen. Dazu kommt, dass die dort gesammelten Daten für ein Gentech-Monitoring ungeeignet sind. Das hätte das BVL wissen müssen.

Besonders fatal ist, dass die gleichen Wissenschaftler, die hierzulande an entscheidenden Stellen für den Durchbruch der Agro-Gentechnik arbeiten, auch wichtige Funktionen bei der EU-Lebensmittelbehörde Efsa haben. "Es ist zudem davon auszugehen", so Antje Lorch, "dass in den anderen EU-Staaten ähnliche Strukturen bestehen."

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