Sterbehilfe: Arzt-Bekenntnis empört Politiker

Sollen Ärzte Patienten helfen, die sich töten wollen? Das Bekenntnis eines Arztes in der taz hat Protest bei Grünen und Medizinern hervorgerufen.

Jörg-Dietrich-Hoppe, der Präsident der Bundesärztekammer Bild: dpa

Die Äußerungen eines Vertreters der Sterbehilfe-Organisation Dignitas zum ärztlich assistierten Suizid in Deutschland sind auf heftige Kritik gestoßen. Der Mediziner hatte im taz-Interview erstmals bestätigt, auch hierzulande Beihilfe zur Selbsttötung geleistet zu haben. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Josef Winkler forderte die Staatsanwaltschaft auf, gegen Dignitas "wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung" zu ermitteln. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe nannte das Vorgehen des Mediziners "ethisch problematisch". Auch Vertreter von CSU und SPD kritisierten den Arzt.

Der Urologe und Vize-Chef von Dignitas in Deutschland, Uwe-Christian Arnold, hatte gesagt: "Mein erster Sterbefall war eine Frau um die 50. Sie hatte Krebs." Die schwerstkranke Patientin habe ihn gefragt, was sie machen solle, wenn es nicht mehr gehe. "Sie hatte eine Morphiumpumpe. Der habe ich dann einen Tipp gegeben, wie sie es schafft."

Bisher war bekannt, dass Dignitas todkranke Menschen, die sterben wollen, in die Schweiz schickt. Dort prüft ein Arzt den Sterbewunsch des Patienten. In einer Dignitas-Wohnung trinkt der Kranke später einen Becher mit einem tödlichen Medikament. Er verliert das Bewusstsein und stirbt. 120 Deutsche gingen 2006 diesen Weg.

In der Bundesrepublik ist das Schweizer Medikament verboten. Doch Arnold sagte: "Man kann auch hier was machen. Das sagt nur niemand öffentlich. Aber ich habe die Nase voll von dieser Heuchelei." Ärztlich assistierter Suizid sei sein Ziel. "Ich will, dass es Sterbehelfer gibt."

Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Justiz wies diese Forderung am Montag zurück. "Wir sehen keinen Handlungsbedarf." Ärztepräsident Hoppe warnte: "Eine solche Freigabe würde einen Flächenbrand auslösen." Kranke könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, weil sie ihren Angehörigen eine Last seien. Er hält den ärztlich assistierten Suizid nicht nur für gefährlich, sondern auch für unnötig: "Die Palliativmedizin bietet eine Palette von Möglichkeiten, um jedem Menschen das Sterben erträglich zu machen."

Skeptisch reagierte auch Herta Däubler-Gmelin (SPD), Bundestagsabgeordnete und ehemalige Justizministerin. "Hilfe im Einzelfall, bei der die Entscheidung des jeweiligen Menschen immer im Vordergrund stehen muss, mag das eine sein." Doch das Propagieren ärztlicher Unterstützung bei einer Tötung müsse bei alten und kranken Menschen den Eindruck vertiefen, sie seien nicht erwünscht. Däubler-Gmelin verurteilte den "Allmachtsanspruch" des Dignitas-Arztes, der bestimmen wolle, wann ein anderer sterben dürfe.

Die CSU sprach gar von einem "Wertefall". Der Gesundheitspolitiker und Fraktions-Vize Wolfgang Zöller sagte: "Beim ärztlich assistierten Suizid würde plötzlich unterschieden, welches Leben noch lebenswert ist." Der Schritt zur aktiven Sterbehilfe sei dann nicht mehr weit. "So eine Entwicklung wäre tödlich."

Immer wieder wird in Deutschland über Sterbehilfe debattiert. Schon die Eröffnung des Dignitas-Büros in Hannover vor knapp zwei Jahren hatte für Furore gesorgt. Kritiker werfen dem Verein vor, mit der Sterbebegleitung Geschäfte machen zu wollen. Die Schnellabfertigung der Kranken sei unwürdig.

Trotz der wiederkehrenden Kritik an der Organisation befürwortet eine große Mehrheit der Deutschen offenbar deren Anliegen. In einer Umfrage des Stern aus dem Jahr 2005 waren 74 Prozent der Meinung, es solle Ärzten erlaubt sein, Schwerstkranken auf deren persönlichen Wunsch hin ein tödliches Mittel zu verabreichen. Lediglich 20 Prozent der Befragten lehnten das ab.

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