Verdi vs. Telekom: "Wir haben Schlimmeres verhindert"

Verdi-Verhandlungsführer Lothar Schröder verteidigt im taz-Interview die Tarifeinigung bei der Telekom

Verdi Verhandlungsführer Lothar Schröder Bild: dpa

taz: Herr Schröder, wieso sollten die Streikenden der Telekom einem Kompromiss zustimmen, den sie für eine schwere Niederlage halten?

Fast sechs Wochen dauerte der erste große Streik seit der Privatisierung der Telekom. Am vergangenen Mittwoch einigten sich der Konzern und die Gewerkschaft Ver.di auf einen Kompromiss. Die Telekom feierte das als ihren Sieg: 50.000 Mitarbeiter würden in drei neue Gesellschaften ausgegliedert und müssten länger für deutlich weniger Geld arbeiten. Der Börsenkurs des Unternehmens legte um zwei Prozent zu. Seitdem ist die T-Aktie aber wieder gefallen. Die Details der Einigung werden erst jetzt bekannt. Offenbar fällt sie für die Beschäftigten günstiger aus als zunächst berichtet wurde. Donnerstag und Freitag stimmen die Streikenden über den Kompromiss ab. Ver.di hofft, das zwei Drittel der Streikenden zustimmen.

Lothar Schröder: Weil das Bild, das in der Öffentlichkeit gezeichnet wurde, falsch ist. Da wird der Eindruck erweckt, dass die Einkommen der Beschäftigten sinken, obwohl das nicht stimmt. Ein zentraler Punkt der Einigung ist, dass wir die Einkommen der Beschäftigten langfristig gesichert haben. Die Telekom hat dies mit den vereinbarten Ausgleichsregeln garantiert.

In dieser Rechnung sind mögliche Lohnerhöhungen ab 2009 bereits berücksichtigt. Verteilen Sie damit nicht das Fell eines Bären, der noch gar nicht erlegt ist?

Selbst wenn sich die Einbußen nicht durch künftige Lohnrunden kompensieren lassen, wird eine Rücklage der Telekom die Einkommensverluste ausgleichen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass wir sie brauchen.

Alle ausgegliederten Beschäftigten müssen pro Woche vier Stunden länger arbeiten. Das entspricht einer Lohnkürzung von 12 Prozent.

Bei der Arbeitszeit gibt es nichts zu beschönigen, da mussten wir Federn lassen. Unterm Strich sind wir jetzt wieder bei der 38-Stunden-Woche, bei der wir schon vor dem Beschäftigungsbündnis im Jahr 2003 waren.

Neu eingestellte Mitarbeiter müssen zusätzlich einen massiven Abschlag von 30 Prozent hinnehmen.

Im Call-Center-Bereich ist der neue Ecklohn niedriger, das ist bitter. Wir sind aber angetreten gegen eine Telekom, die Tabula rasa machen wollte und in diesem Bereich die Einkommen aller Beschäftigten auf ein irrwitziges Niveau von 19.000 Euro drücken wollte. Die Einkommen der jetzigen Beschäftigten sind nun geschützt. Der zukünftige Ecklohn beträgt 24.000 Euro, das kann sich in der Branche sehen lassen. Ohne diesen Kompromiss hätte die Telekom die Löhne im Alleingang noch stärker gesenkt. Statt des angedrohten Einstellungsstopps hat die Telekom nun auch zugesagt, 4.150 Auszubildende zu übernehmen.

Mit der Einigung haben Sie so etwas wie die ewige Nullrunde ohne Inflationsausgleich vereinbart. Passt so etwas in die tarifpolitische Landschaft einer Aufschwungsökonomie?

Wir haben uns eben nicht auf eine langfristige Stagnation festgelegt. Wir wollten die gegenwärtigen Löhne nicht über Jahre festschreiben und vertrauen darauf, dass wir ab 2009 wieder steigende Löhne vereinbaren werden. Mehrjährige feste Lohnvereinbarungen würden es unmöglich machen, dass die Beschäftigten am Aufschwung partizipieren.

Was hätte Ver.di riskiert, wenn Sie den Streik mit verschärften Aktionen fortgesetzt hätten? Die Streikenden waren jedenfalls noch nicht müde.

Das ist richtig. Sie gehen aber von einer falschen Rechtslage aus. Die Beschäftigten verlassen den Mutterkonzern und werden auf drei neue Gesellschaften verteilt. Durch diesen Rechtstrick wäre uns am 1. Juli der Streikgegner verloren gegangen. Das deutsche Arbeitsrecht lässt es zu, das Tarifniveau bei Betriebsübergängen in neue Gesellschaften zu drücken. Das wäre zum Beispiel in Österreich undenkbar. Rein rechtlich hätte die Telekom das Ganze gegen die Beschäftigten, Gewerkschaften und Betriebsräte durchziehen können. Damit hat die Telekom auch massiv gedroht, um dann noch sehr viel schlechtere Bedingungen für die Beschäftigten durchzusetzen. Wir haben mit der Einigung Schlimmeres verhindert.

Für eine Annahme brauchen Sie nur eine Zustimmung von 25 Prozent der Streikenden. Wäre diese Quote schon ein Erfolg?

Damit wäre ich nicht zufrieden. Ich glaube, dass wir durch unsere Informationsveranstaltungen in diesen Tagen eine sehr viel höhere Zustimmung erreichen werden. Ich hoffe auf eine Zweidrittelmehrheit. Die bisherige Resonanz der Beschäftigten vor Ort stimmt mich optimistisch.

INTERVIEW TARIK AHMIA

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