Kommentar: Islam rechtlich gleichstellen

Mehr denn je sehen sich die christlichen Kirchen in Konkurrenz zu den Muslimen. Gleichbehandlung soll Abhilfe schaffen. Eine gleiche Behandlung aller Religionen könnte die Situation entschärfen.

Der Ton von Spitzenvertretern der Christen hat sich verschärft gegenüber den Muslimen. Der evangelische Bischof Huber etwa äußert regelmäßig Verständnis für Menschen, die einem Moscheebau in ihrem Viertel mit Skepsis begegneten, und fragt, warum Frauen und Männer in Moscheen eigentlich getrennt sitzen müssten.

Der katholische Kardinal Lehmann wiederum verteidigte vorgestern die historisch gewachsene "partnerschaftliche Beziehung zwischen Staat und Kirche gegen den Vorwurf, die Verfassung privilegiere das Christentum". Zudem wollen Lehmann, Huber und auch Kardinal Meisner, dass die christlichen Religionen in muslimischen Ländern mehr Freiheiten bekommen, wenn die Muslime ihrerseits etwa in Köln eine große Moschee errichten dürfen. Das ist schon eine erstaunliche Logik.

Die Kontroverse um den Kölner Moscheebau ist der bislang sichtbarste Ausdruck von Differenzen, die schon seit längerer Zeit schwelen. Seit Monaten schon sorgt eine Handreichung der evangelischen Kirche zum Umgang mit Muslimen, die im November veröffentlicht wurde, bei den deutschen Islam-Verbänden für Unmut. In diesem Positionspapier, das den Titel "Klarheit und gute Nachbarschaft" trägt, werden deutlicher als bislang die Unterschiede zwischen den Religionen hervorgehoben und auch Kritik am Islam geübt.

So wird an manchen Stellen auf ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt angespielt, und den Muslimen in Deutschland werden Bestrebungen unterstellt, das islamische Recht der Scharia einführen zu wollen. Diese Sorge teilte auch Kardinal Meisner in einem Interview vor zwei Tagen - obwohl sich alle führenden islamischen Verbände in Deutschland klar von solchen Bestrebungen distanzieren.

Das evangelische Positionspapier, von Bischof Huber verantwortet, zeugt beispielhaft vom Kurswechsel der Kirchen. Während die muslimischen Verbände in Deutschland noch immer vom gemeinsamen Glauben an den gleichen Gott sprechen und die geteilten abrahamitischen Wurzeln der drei großen Weltreligionen betonen, geht die evangelische Kirche auf Distanz - und die katholische steht ihr da in nichts nach, wie Lehmanns und Meisners Äußerungen belegen. Ausdrücklich betonen die Kirchenvertreter ihr angeblich anderes Gottesverständnis und rücken - wie der Papst mit seinem neuesten Buch - Jesus wieder stärker ins Zentrum ihres Bekenntnisses. Benedikt XVI. hat übrigens kürzlich zudem das Gebot zur Mission bekräftigt. In einer Predigt im Mai forderte er die katholische Kirche in Italien auf, insbesondere den Einwanderern das Evangelium nahe zu bringen.

Mehr denn je sehen sich die christlichen Kirchen in Konkurrenz zu den Muslimen, aber auch zu anderen Religionen, zu New-Age-Moden und nicht zuletzt untereinander. Dabei geht es nicht nur um theologisch-weltanschauliche Fragen, sondern auch um Macht und Einfluss. Deshalb propagieren sie Selbstbewusstsein und ein klares Profil. Für die Kirchen in Deutschland bedeutet das, sich stärker von den Muslimen abzusetzen. Das ist neu. Denn bis vor ein paar Jahren noch zählten sie zu deren stärksten Bündnispartnern hierzulande, wenn es etwa um islamischen Religionsunterricht oder Kopftuch-Freiheit ging.

Wollten die Kirchen einst mit den Muslimen gemeinsam eine Stärkung religiöser Werte erreichen, so lautet das unausgesprochene Motto heute: Unser Abendland soll christlich bleiben. Statt für eine stärkere Gleichberechtigung der Muslime zu werben, wollen die Kirchen nunmehr vor allem ihre Privilegien und ihre Vormachtstellung gewahrt wissen.

Das zeigt sich nicht nur an der Maßgabe, keine leer stehenden Kirchengebäude an Muslime zu verkaufen, um eine symbolträchtige Umwandlung in Moscheen zu verhindern. Das zeigt sich auch in der Kopftuch-Debatte, wo sich die Kirchen inzwischen auf die Seite eines Kopftuch-Verbots für Lehrerinnen geschlagen haben; freilich ohne das Nonnenhabit bei Lehrerinnen, wie es in manchen Bundesländern üblich ist, in Frage zu stellen.

Unterstützung bekommen sie dabei nicht nur von konservativen Politikern wie Angela Merkel. Und wenn in der CDU über eine deutsche Leitkultur geredet wird, dann ist klar, dass damit immer nur das "christlich-jüdische Erbe" gemeint ist. Europas islamisches Erbe, das von Granada bis Sarajevo zu besichtigen ist, wird dagegen stets sorgsam ausgeklammert.

Unterstützung bekommen Kirchen und christlich-konservative Politiker neuerdings aber auch von unverhoffter Seite: von säkularen und religiös eher unmusikalischen Stimmen, die sich an der Ausbreitung des Islam in Deutschland stören. Das führt zu seltsamen Allianzen zwischen Alice Schwarzer und Annette Schavan, die gemeinsam erfolgreich gegen das Kopftuch in Baden-Württemberg zu Felde zogen. Oder zwischen Ralph Giordano, dem "Zentralrat der Ex-Muslime" und der rechtsextremen Bürgerbewegung "Pro Köln", die allesamt den Moscheebau ablehnen.

Unfreiwillig komisch wirken solche Allianzen, wenn eine hauptamtliche Islam-Kritikerin wie Necla Kelek in der FAZ das Minarett als ein "Symbol der Macht" anprangert. Als ob die Kirchtürme des Kölner Doms, welche die Skyline der Stadt prägen, kein Symbol der Macht wären. Ansonsten zeugen die Vorbehalte von konservativ-christlicher Seite gegen Moscheen wie in Köln, die sich häufig an der Höhe der Minarette festmachen, vor allem von einer Art religiösem Penisneid. Die alles entscheidende Frage lautet: Wer hat den Längsten?

Das Interesse der Kirchen, den Status quo und damit ihre Vormachtstellung zu behaupten, ist verständlich. Weniger verständlich ist, dass ihnen säkular gestimmte Geister dabei zur Seite stehen. Schließlich ist diese Position auf Dauer nicht zu halten. Entweder wird die unvollendete Säkularisierung vorangetrieben. Dann gehören die nicht wenigen Privilegien der christlichen Kirchen abgeschafft - vom Religionsunterricht an den Schulen über die Kirchensteuer bis hin zu den Sitzen im Rundfunkrat, die Kirchenvertretern reserviert sind.

Diese konsequente Trennung von Staat und Religion, wie in Frankreich üblich, wäre sicherlich die sauberste Lösung. Schließlich sollten auch Ex-Christen das Recht auf Freiheit von Religion haben. Da diese Forderung in Deutschland in naher Zukunft aber kaum durchzusetzen sein dürfte, kann den Muslimen die rechtliche Gleichstellung auf lange Sicht nicht verwehrt werden.

Selbst die Kopftuch-Verbote für Lehrerinnen, die gerade durch diverse Landesparlamente verabschiedet werden, könnten am Ende vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden. Denn ein Drei-Klassen-Recht der Religionen ist mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Wen also Kirchenglocken nicht stören und wer das "Wort zum Sonntag" im Fernsehen erträgt, der wird auch mit Minaretten, Kopftüchern und Freitags-Predigten leben müssen.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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