Ruanda-Prozesse: Frankreich behindert Völkermordtribunal

Eine Richterin in Paris verfügt Freilassung zweier Ruander, die vom UN-Ruanda-Tribunal mit Haftbefehl gesucht werden und kürzlich in Frankreich festgenommen wurden.

Außenminister Kouchner sprach noch am Mittwoch davon, dass Frankreich den Haftbefehl des UN-Tribunals respektieren wolle. Bild: dpa

Die Bemühungen um juristische Aufarbeitung des Völkermords in Ruanda, bei dem 1994 über 800.000 Menschen von Milizen und Sicherheitskräften getötet wurden, haben einen erneuten Rückschlag erlitten. Ein Gericht in Paris verfügte am Mittwochabend die Freilassung zweier Exilruander, die vom UN-Ruanda-Tribunal wegen Beteiligung am Genozid mit internationalem Haftbefehl gesucht werden.

Der 49-jährige katholische Priester Wenceslas Munyeshyaka und der 62-jährige Politiker Laurent Bucyibaruta waren am 21. Juni in Erfüllung der UN-Haftbefehle in Frankreich festgenommen worden, wo sie zuvor jahrelang unbehelligt gelebt hatten. Die Festnahmen waren als Signal gewertet worden, dass Frankreich seine bisherige Politik, Verantwortliche für den Genozid in Ruanda möglichst zu schützen, aufgibt. Frankreich hatte das für den Völkermord in Ruanda verantwortliche Regime militärisch unterstützt; französische Waffenlieferungen erreichten die Mörder noch während der Massaker, und als die damalige Regierung von Tutsi-Rebellen gestürzt wurde, evakuierten französische Truppen die Verantwortlichen für die Massenmorde in den benachbarten Kongo.

Bis heute hat es in Frankreich keine juristische Aufarbeitung davon gegeben. Stattdessen versuchte letztes Jahr ein französischer Untersuchungsrichter, Ruandas heutigen Präsidenten und damaligen Tutsi-Rebellenführer Paul Kagame vor Gericht zu bringen. Daraufhin brach Ruanda die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich ab und setzte eine eigene Untersuchungskommission ein, die die französische Rolle beim Genozid untersucht. In zahlreichen Zeugenaussagen vor dieser Kommission sind in den letzten Monaten bisher nicht bekannte Details der Zusammenarbeit zwischen Völkermordverantwortlichen und dem französischen Militär bekannt geworden. Anfang Juli veröffentlichte die französische Zeitung Le Monde freigegebene staatliche Dokumente, aus denen hervorgeht, dass der damalige Präsident François Mitterrand von den Völkermordplanungen wusste.

Französische Menschenrechtsgruppen hatten nach der Le-Monde-Veröffentlichung die Festnahme von drei in Frankreich lebenden Ruandern gefordert. Neben dem Priester Munyeshyaka, der während des Genozids Tutsi-Flüchtlinge aus der katholischen Kirche "Sainte-Famille" in Kigali an die Mordmilizen ausgeliefert haben soll, und Bucyibaruta, dem damaligen Präfekten von Gikongoro, nannten sie Exunterpräfekt Dominique Ntawukuriyayo. Sie verlangten auch, dass Frankreich den für Massaker an Tutsi verantwortlichen Isaac Kamali an Ruanda ausliefert. Er war am 20. Juni bei der Einreise in die USA festgenommen und nach Frankreich deportiert wurden, weil er auf französischem Pass reiste.

Die Festnahmen von Munyeshyaka und Bucyibaruta am 21. Juli in Frankreich hatten Hoffnungen auf Entspannung geweckt. Erst am Mittwoch sagte Außenminister Bernard Kouchner, die Haftbefehle des UN-Tribunals müssten respektiert werden. Er werde "bald" Ruanda besuchen - seit dem Genozid hat das kein hochrangiger französischer Politiker getan.

Wenige Stunden später aber befand Haftrichterin Edith Boizette in Paris, die beiden müssten auf freien Fuß gesetzt werden, weil für sie die Unschuldsvermutung gelte. Unklar blieb, wie das mit den geltenden Abkommen zwischen Frankreich und der UNO zur Zusammenarbeit mit UN-Tribunalen vereinbar ist. Gegen die beiden Ruander läuft auch in Frankreich ein Verfahren wegen Völkermords. Munyeshyaka wurde bereits 2007 in Abwesenheit in Ruanda zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die ruandische Vertretung beim UN-Tribunal kritisierte die Pariser Entscheidung als "politisch". Auf der von Ruandas Staatsanwaltschaft verbreiteten offiziellen Liste flüchtiger Völkermordtäter, die 93 Namen enthält, wird Frankreich von 9 als Aufenthaltsland angegeben.

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