Rammelbuden-Werbung

Es gibt nicht mehr viele Koberer auf der Reeperbahn, die die KundInnen in ihre Kiez-Läden locken wollen  ■ Von Stefan Rychlak

„Guten Abend, Jungs! Kommt mal hier rüber, wir sind hier noch die einzige Rammelbude“ – Peter Schöndube ist „Koberer“ an der Großen Freiheit auf St. Pauli und wirkt in seiner dunklen Stoffhose, dem eleganten Wollpullover und der schwarzen Lederjacke so richtig seriös. Das verschmitzte Lächeln des gelernten Einzelhandelskaufmanns kommt bei den Kiez-Gängern gut an. Der 45-Jährige ist mit seinem großen Mundwerk dafür zuständig, den Nachtclub „Safari“ mit Gästen zu füllen. „Na, der Herr? Führen Sie die Dame doch mal hier herein, ein paar Anregungen für zu Hause holen.“

„Ankobern“ ist ein alter hanseatischer Begriff und steht frei übersetzt für „anwerben“. Früher waren die Männer stolz, Koberer gerufen zu werden, heute nennen sie sich lieber Portier. Auch wenn das Produkt, das sie anpreisen seit Jahrzehnten das gleiche ist – „letztendlich geht es hier immer nur um eins: Sex“ – , hat sich für Koberer vieles verändert: „Anfang der 60er war es noch eine Sensation, einen blanken Busen zu zeigen, heute wird gemeckert, wenn nicht gebumst wird“, sagt Schöndube.

„Das schöne Flair ist schon lange kaputt. Früher hatten wir eine familiäre Stimmung und Prügeleien, nach denen man hinterher gemeinsam was trinken gegangen ist“, schwärmt Siegfried Hinkel. Der 65-Jährige, der von seinen Kollegen längst als „Baron des Kiez'“ geadelt wurde, ist eigentlich schon in Rente und hilft nur noch selten aus.

Früher, bis Mitte der 80er Jahre, standen noch mehr als 80 Koberer vor den „echten Clubs“ auf St. Pauli. „Aber die guten, niveauvollen Etablissements haben nach und nach fast alle zugemacht“, erzählt Schöndube. Potenzielle neue Betreiber hätten meistens wieder die Finger von den Läden gelassen, nach dem sie Probleme hatten, eine neue Konzession zu erhalten. Heute stehen sie gerade noch mit etwa 25 „Portiers der alten Schule“ rund um die Reeperbahn. „Mit 26 Jahren im Job bin ich unter den Jungs der Dienstjüngste“, ist Schöndube stolz.

Er steht mindestens fünf Tage in der Woche von 19 bis 4 Uhr vor dem „Safari“, das seit 42 Jahren Live-Sex auf der Bühne bietet. Von den anderen Clubs könne das „Safari“ sich nur mit wenigen wie dem „Dollhouse“ oder Travestie-Shows identifizieren. Die meisten Sex-Shops sind auch unter den Portiers verschrien: „Viele Kunden warnen wir vor den Nepperläden, die nur abzocken wollen“, sagt Schöndube. Die „Möchte-gern-Koberer“ vor solchen Clubs nennt der harte Kern verächtlich „Marktschreier“. „Beim Table-Dance kann man den Leuten nicht viel erzählen. Was willst Du bei einer Gurke, die an der Stange hängt, groß erklären?“

Ein Patentrezept, um Gäste in den Laden zu holen, hat Schöndube nicht. „Das entscheide ich individuell“, sagt er. Außer auf englisch und französisch kann er mit Touristen auch ein wenig auf italienisch, spanisch oder japanisch verhandeln. Der Umgangston ist nicht immer gleich, kann aber auch sehr deftig sein: „Schließlich führen wir ja keine Kaufhausverkaufsgespräche. Die Leute wollen ja auch was hören, wir sind ja auf St. Pauli.“