Digitales Profitwürstchen

Die Deutschen sehnen sich nach Rettung. Ein Erlöser steht bereit: Matthias Horx

Horx predigt den esoterischen Optimismus, den seine Kundschaft so dringend hören will

Auf die Landsleute ist Verlass – sie können einem prima auf die Nerven gehen. Am ödesten betragen sie sich, wenn sie einander das Jammern vorwerfen und also über ihr eigenes Gejammer herumnöckeln. Liest man dieser Tage Zeitung, gewinnt man den Eindruck, die Apokalypse stehe unmittelbar bevor. „Gebremst“ und „blockiert“ sei die Wirtschaft in Deutschland, behaupten Bild, Spiegel und Focus unisono. Weil Existenzangst auch im Journalismus umgeht, ist eine wirtschaftliche Flaute ein Thema für Journalisten; die Schuld schieben die Schreiber denen zu, die noch schlechter dran sind als sie selbst. Es gebe viel zu viel Sozialversorgung und viel zu viele Arbeitnehmerrechte in Deutschland, keifen sie, als kriegten sie es von Hans-Olaf Henkel bezahlt, und verlangen, der Staat solle sich selbst abschaffen; Armut erklären sie zum Delikt und schüren den Hass gegen alle, die beim Rattenrennen nicht mitmachen wollen oder können. Wer nicht freudetrunken durchs Land torkelt, weil er für drei Euro pro Stunde einen stupiden Job verrichten darf, hat nicht die richtige Einstellung zur Arbeit; wer nicht bereit ist, für einen Arbeitsplatz einen Konkurrenten totzuschlagen, ist ungenügend motiviert und hat ein Mentalitätsproblem.

Zu einer Zeit, in der die Deutschen sich gewaltig die Hemden vollheulen und herumschlottern vor Angst, sie müssten bald in der Dritten Welt leben, die sie anderen zugedacht haben, hat ein schlechter alter Bekannter Konjunktur: Matthias Horx, der sich in den Achtzigerjahren einen Namen als zuverlässiger Dünnbrettbohrer machte, nennt sich seit geraumer Zeit „Trend- und Zukunftsforscher“. In dieser Eigenschaft predigt er den esoterischen Optimismus, den seine Kundschaft so dringend hören will. Horx hat etwas verfasst, das er „Zukunftsmanifest“ nennt: „Wider den Ungeist der Panikmache. Die Zukunft ist möglich.“

Zukunft ist möglich – wer hätte es gedacht? Der Erlösungsbedarf im Land ist offenbar so gesteigert, dass schieres Geschwätz in den Rang einer Botschaft gerät. Die Zeitschrift Mensch & Büro, die als „Trendmagazin für den Lebensraum Büro“ firmiert und in den Erster-Klasse-Abteilen der Bahn aushängt, ist von Matthias Horx hingerissen, weil der „energisch dazu aufruft, in Deutschland endlich Schluss mit der Miesmacherei und dem Jammern zu machen“ – mit Miesmachen ist die Weigerung gemeint, begeistert loszujodeln über das Grundrecht, seine Haut zu Markte tragen zu dürfen: jetzt noch billiger, hurra! Dem Magazin, das besser „Mensch oder Büro?“ hieße, hat Matthias Horx alles gesagt, was er weiß: Die Deutschen sehnten sich „nach jenem Paradies, in dem die digitalen Profit-Würstchen ohne Ende durch die Luft fliegen“, tadelt Horx, der ohne Frage ein Profitwürstchen ist, wenn auch kein digitales, aber das kann ja noch werden, denn wo Zukunft erst möglich ist, da geht alles, sogar dieser Horx’sche Satz: „In dieser Situation müssen wir uns aus der Sicht der Trend- und Zukunftsforschung zu Wort melden und formulieren: Zukunft ist möglich!“

So meldet sich Horx fleißig zu Wort und gebetsmüllert die eigene quasireligiöse Endlosschleife wie ein Erlösungs-Jesus: „Zukunft ist möglich!“ Sein Interviewer, ein Chefredakteur namens Wilhelm Klümper, ist fasziniert. „Jammern die Deutschen auf hohem Niveau?“, fragt er, und Horx, dieser auch international voll ausgebratene Setter von Jet und Trend, antwortet: „Indeed.“ Man muss schon sehr verzweifelt und sehr hysterisiert sein, um einem ulkigen Eierkopf zu Füßen zu liegen, der ununterbietbar Banales in einem Ton von sich gibt, als habe er gerade sechs Stunden mit Buddha gespachtelt: „Wir sind satt, supersatt“, stöhnt Horx und träumt von schlechten Zeiten: „Die Deutschen haben in anderen historischen Zeiten ja durchaus gezeigt, dass sie auch anders reagieren können, man denke an die Aufbauphase nach dem Krieg.“ Vor die Nachkriegszeit aber hat die Logik nun mal die Kriegszeit gesetzt; wer Nachkriegsdeutsche will, braucht vorher Kriegsdeutsche.

Die Matthias Horx dann aber nicht anführen möchte. „Ich bin mit meiner Rolle als Zukunftsforscher und ‚Agent des Wandels‘ ganz zufrieden“, sagt der selbstzufrieden wandelnde Agent des positiven Denkens. Der Alles-wird-gut-Gehirnwäscher weiß schließlich: „Zuerst geht es einmal darum, einen Diskurs zu führen“ – denn ohne Diskursgeblähe gäbe es keine Zukunft, jedenfalls nicht für Matthias Horx.

Das wäre dann eine, die mir gefallen könnte. WIGLAF DROSTE