obdachlosenzeitung in der krise
: Was die „Motz“ von der „Welt“ lernen kann

Drei Vorbilder für ein Halleluja

In ihrer aktuellen Ausgabe ruft die Berliner Straßenzeitung Motz zu Sach- und Geldspenden auf. Die Lage sei akut, berichtet der Geschäftsführer, Bernd Braun. Wird das Obdachlosenblatt ein weiteres Opfer der Medienkrise oder ist es noch zu retten? Lösungsmodelle für krisengeplagte Zeitungen gibt es in Deutschland inzwischen zuhauf. Welcher wäre auch für die Motz geeignet?

Vorbild 1: „Die Welt“

Die Welt ist an sich perfektes Vorbild für die Motz. Beide sind Zuschussgeschäfte. Allerdings muss einschränkend hinzugefügt werden, dass von der Motz nie erwartet wurde, dass sie irgendwann schwarze Zahlen schreibt. Die Motz soll sich stattdessen durch das Geld finanzieren, das ihre MitarbeiterInnen mit Umzügen und Entrümpelungsaktionen verdienen. Eine Querfinanzierung also, wiederum genau wie bei der Welt. Auch das konservative Flaggschiff aus dem Haus Springer wird durch eine journalistische Form der Entrümpelung finanziert, durch die Boulevardblätter Bild und B.Z. Die Ähnlichkeit im Finanzierungskonzept ist aber auch der Grund für die begrenzte Vorbildtauglichkeit des Springer-Konzerns. Auslöser der Krise ist in beiden Fällen der Zusammenbruch des Neuen Marktes. Seitdem funktioniert die Querfinanzierung bei Springer wegen des Anzeigeneinbruchs nicht mehr. Bei der Motz ist das Umzugsgeschäft von einem Tag auf den anderen eingeknickt. „Alle Leute, die vorher mit Hilfe der Motz von kleinen Wohnungen in große gezogen waren, sind wieder in kleinere zurückgezogen – aber mit ihren Freunden und umsonst“, sagt Bernd Braun, Geschäftsführer der Motz.

Vorbild 2: „Der Tagesspiegel“

Die Motz könnte beispielsweise mit der Stütze oder mit der Straßenzeitung fusionieren, das Anzeigengeschäft und den Vertrieb zusammenlegen. Erste Gegenfrage: Welches Anzeigengeschäft? Zweite Gegenfrage: Vertrieb zusammenlegen? Unmöglich! Die Verkäufer von Straßenzeitung und Motz würden sich weigern, miteinander zu arbeiten. Das kann jeder bestätigen, der schon mal eine der beiden Zeitungen mit dem Hinweis nicht gekauft hat, die andere bereits erworben zu haben: „Wissen Sie überhaupt, wie die arbeiten? Mafia, Drückerkolonne …“ Dritte Gegenfrage: Was ist mit der Ministererlaubnis?

Vorbild 3: „Frankfurter Rundschau“

Die Motz könnte sich mit Bürgschaften vom Land Berlin finanzieren. Sie müsste ihre bisherige Finanzierungsform – die Motz Dienstleistungs GmbH, die die Umzüge organisiert – aufgeben. 17 fest angestellte Mitarbeiter könnte Wowereit mit geringem finanziellem Aufwand … äh, okay, schon gegessen. Dagegen spricht aber auch, dass die Redaktion ihre Unabhängigkeit behalten möchte.

MAD