„Schwarz-Grün hat kaum Perspektiven“

Unter Angela Merkel ist die CDU für die Grünen als Partner unattraktiver geworden, sagt ihr parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck. Als Oppositionspartei werden sie nur mit einem klaren Wertebekenntnis überzeugen

taz: Herr Beck, 2006 sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Dort stehen sich CDU und Grüne ungewöhnlich nahe. Ist die Zeit reif für einen schwarz-grünen Testlauf?

Volker Beck: Die Entscheidungen in den Ländern treffen die Landesverbände. Die baden-württembergischen Grünen gehen ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf. Sie haben aber auch deutlich gemacht, dass sie bei der aktuellen Entwicklung große Zweifel an Schwarz-Grün haben. Auch ich glaube, dass wir die größte Schnittmenge trotz aller Probleme immer noch mit der SPD haben.

Warum war die schwarz-grün-gelbe Jamaika-Koalition dann nach der Bundestagswahl als Gedankenspiel so überaus beliebt?

Weil es angesichts des Wahlkampfs und der Parteiprogramme so besonders schlecht zusammenpasste. Deshalb klang das für die Presse nach heftigen und interessanten Auseinandersetzungen.

Was ist Ihr Problem mit der Union?

Die CDU hat sich unter Angela Merkel von einer Partei, die soziale Gerechtigkeit in der Tradition der katholischen Soziallehre groß schreibt, immer weiter entfernt. Gerade die Stränge also, die für uns anknüpfungsfähig gewesen wären, sind in den Hintergrund getreten. Ohne dass sich da etwas ändert, sehe ich kaum Perspektiven für ein gemeinsames schwarz-grünes Projekt.

Was soll dann das grüne Konzept sein?

Wir werden nur überzeugen, wenn wir ganz klar machen, dass unsere programmatischen Aussagen Ausgangspunkt für potenzielle Bündnisse sind. Wenn wir angeben können, für welches politische Projekt wir ein bestimmtes Bündnis eingehen, dann ist vieles denkbar. Aber eine strategische Ausrichtung in Richtung Schwarz-Grün oder Äquidistanz eben nicht.

Was ist denn die Alternative? Opposition auch nach den nächsten Bundestagswahlen 2009?

Die Konjunkturen gehen schnell auf und ab. Die Perspektive eines erneuten rot-grünen Bündnisses ist also nicht ausgeschlossen. Ich finde, man sollte sich nicht zu Beginn einer Wahlperiode auf irgendwelche Konstellationen festlegen.

Der Politologe Franz Walter hat am Dienstag in der taz geschrieben, dass keine Partei bürgerlicher ist als die Grünen – zu Recht?

Viele von uns kommen soziologisch aus bürgerlichen Elternhäusern – ich auch. Aber es gab immer auch Leute, die aus der klassischen Arbeiterschaft kamen. Die Grünen waren immer eine bunte Truppe, die sich zusammengefunden hat, weil sie gemeinsame Werte teilt und eine moderne, linke, emanzipatorische Politik verfolgt. Wir waren nie eine klassische Linke, die sich bloß auf die verteilungspolitischen Diskurse reduziert hat.

Und wie bürgerlich sind Ihre Wähler?

Wir haben eine gut ausgebildete und zum Teil auch gut verdienende Wählerschaft. Ihr Wahlverhalten und ihre politische Orientierung richtet sie aber nicht primär an den egoistischen Interessen des eigenen Geldbeutels aus, sondern an den gemeinsamen Interessen der Gesellschaft – in puncto Ökologie, aber auch soziale Gerechtigkeit.

Beschreibt der Begriff der „kulturell Kreativen“ die grüne Klientel richtig?

Da liegt Walter nicht ganz falsch. Menschen, die in den Innenstädten leben, die auf eine weltoffene Atmosphäre Wert legen, finden sich bei den Grünen wieder. Zu kulturell Kreativen kommen auch technologisch Innovative.

Diese Klientel gilt als ausgesprochen kompliziert.

Unsere Wählerschaft lässt sich nicht hinter die Fichte führen. Sie guckt beim Wahlplakat nicht nur auf den Slogan, sondern fragt, welches Konzept dahintersteht. Deshalb werden wir als Oppositionspartei nur überzeugen, wenn wir realitätstüchtige Konzepte vorlegen und uns klar zu unseren Werten bekennen.

Warum kommen grüne Werte bei den Armen so schlecht an?

Wo schlechte soziale Lage und schlechte Ausbildung korrelieren, haben wir es schwer, unser eher anspruchsvolles Programm an den Mann zu bringen. Wenn eine Partei dagegen populistisch behauptet, bei ihr gibt’s das Doppelte oder Dreifache an Geld, dann ist das für manche attraktiver. Das heißt aber nicht, dass wir nicht Politik für ärmere Menschen machen würden, bloß weil sie uns unterproportional wählen.

Liegt das nicht eher daran, dass Arme die grünen Themen häufig für reine Luxusthemen halten?

Von anderen Parteien wird immer wieder versucht, die Ökologie zu einem Luxusthema zu machen, aber ich spüre auch, dass immer mehr merken, dass Ökologie das zentrale Modernisierungsthema für die technologische Entwicklung ist und damit eben auch ein Jobmotor.

INTERVIEW: DAVID DENK