Alle Erwachsenen mussten aus dem Raum

UNO-Schulinspektor Vernor Muñoz besucht eine Berliner Gesamtschule. Beamte und Lehrer sollen dabei nicht stören

BERLIN taz ■ Als der kleine Mann aus Costa Rica die Matheklasse nach seinem dreiminütigen Besuch wieder verlässt, ruft ihm ein Schüler frech „Ciao, Amigo“ hinterher. „Ciao“, antwortet Vernor Muñoz Villalobos.

Der UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Bildung, der seit Montag voriger Woche in Deutschland weilt, versucht an der Robert-Jungk-Oberschule im bürgerlichen Berliner Stadtteil Wilmersdorf möglichst viel mit den Schülern persönlich zu sprechen.

Er ist bemüht, den offiziellen Teil so kurz wie möglich zu halten. In der Matheklasse bleibt er nicht lange, das arrangierte Zusammentreffen ist ihm zu offiziell, zu gestellt. Der UN-Gesandte spricht auf Spanisch zu den 16 Schülern, die Dolmetscherin übersetzt: „Danke, dass wir sehen konnten, wie ihr arbeitet.“ Und fügt hinzu: „Die Bildung ist ein Recht für alle, und wir hoffen, dass ihr dieses Recht richtig ausnutzt. Wo ich herkomme, haben nicht alle Kinder die Chance, dieses Recht wahrzunehmen.“

Es ist kein Überraschungsbesuch an der Gesamtschule. Mit ein paar Mitarbeitern aus dem Bildungsministerium, drei persönlichen Assistenten und einer Begleiterin aus dem Außenamt trifft Señor Muñoz in einem schwarzen Bus an der Schule ein. Ein kleines Empfangskomitee erwartet ihn schon auf dem Schulhof.

Zu Beginn wird Herr Muñoz ins Schulsekretariat geleitet, dort erhält er bei Schnittchen und Kaffee erste Informationen zur Schule. Die Robert-Jungk-Schule liegt nicht gerade in einem Problemkiez, trotzdem ist der Anteil von Migranten ziemlich hoch. Rektorin Garstka erklärt, dass Kinder zwischen 12 und 17 Jahren aus ungefähr 30 Herkunftsländern ihre Schule besuchen. Ihr ist die Aufregung über den Besuch anzumerken. Muñoz erweckt den Eindruck, als interessiere er sich nicht wirklich für das ganze Brimborium. Er nickt und lauscht den Worten der Rektorin. Ab und zu stellt er eine Frage, zum Beispiel ob es auch Lehrer mit Migrationshintergrund gebe oder wie viel Lern- und Körperbehinderte die Integrationsklassen besuchen. Muñoz erledigt die Pflicht, möchte aber möglichst schnell mit den Schülern sprechen.

Als es zum wichtigsten Teil des Besuchs kommt, dem Gespräch mit den Schülern, schickt der Schulinspektor als Erstes alle Erwachsenen aus dem Raum. Die Schüler sollen sich frei und unverklemmt äußern können. Bundesdeutsche Beamte und Lehrer sollen das Gespräch nicht stören. Es sind unter anderem Konfliktlotsen oder Schüler aus der Unesco-Gruppe, die von der Rektorin bestellt schon in der Bibliothek auf Muñoz warten.

Von draußen hört man zwischendurch Gelächter. Es ist ein lockeres, aber konzentriertes Gespräch. Später erzählen die Schüler von einem tollen Gespräch. Muñoz sei sehr nett gewesen. „Er hat gefragt, was man in der Schule machen kann und ob wir Probleme haben.“ Die Schüler hatten den Eindruck, sie könnten sich mit ihm aussprechen.

Auf dem vorgeschlagenen Rundgang durch den Neubau der Schule werden Muñoz auf Vorschlag der Rektorin verschiedene Vorzeigeprojekte in den Schaukästen gezeigt. Drei Schüler erklären das Anti-Rauch-Projekt, das Unesco-Projekt der Schule und ein deutsch-polnisches Wasserprojekt. Immer wieder ergänzt Rektorin Garstka verschiedene Punkte. Muñoz aber sucht außerhalb des einstudierten Textes ein Gespräch mit Schülern. Fast schüchtern fragt er manchmal nach, behandelt die Schüler aber ebenbürtig. Diese sind nicht eingeschüchtert. Es sieht eher so aus, als freuen sie sich über den Besuch, freuen sich, dass sich jemand für ihre Belange interessiert.

Trotz der Bemühungen von Señor Muñoz, möglichst unabhängig von seinem ganzen Tross mit den Schülern zu sprechen, hat er aber eben doch nur kleine, von der Rektorin ausgewählte Gruppe gesprochen. Die anderen Schüler hat er nur kurz um halb zehn in der Pause über den Flur huschen sehen.FLORIAN HOLLENBACH