Aus „Scheisse“ Geld machen

In Dortmund verkauft ein Verein deutsche Wörter. Das öffentliche Bewusstsein für Sprache soll geschärft werden

Der in Dortmund ansässige Verein Deutsche Sprache (VDS) macht aus Scheiße Geld. Und aus Schwachsinn auch. Gesetzt den Fall, es findet sich jemand, der die Patenschaft für eines dieser bekannten deutschen Wörter übernehmen möchte. Wenn ja, knöpft der VDS demjenigen fünf Euro ab, tüncht den Namen des Wortpaten auf eine Urkunde und gratuliert: Glückwunsch, Sie betreuen nun ein Wort – und wir sind fünf Euro reicher. Wenn nicht, bleiben die Wörter eben in der VDS-Datenbank.

Aber was, wenn man erst mal Wortpate ist? Welchen Verpflichtungen muss man nachkommen? Für das Wort sorgen, wenn dessen Eltern bei einem Autounfall verscheiden? Rechte an dem Wort hat man jedenfalls keine. Das schließen die Geschäftsbedingungen gleich aus. Oder ist das etwa alles ein ganz großer Schmus, mit dem wir es hier zu tun haben? Werfen wir dafür zunächst einen Blick auf die Liste prominenter Wortpaten, die eine solche Aktion, will sie Öffentlichkeit erheischen, freilich vorweisen muss.

An erster Stelle finden wir dort Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert, dem das Wort „geruhsam“ gut gestanden hätte, aber darin steckte Wickert vermutlich zu wenig Pathos. Und weil er bald aufhört bei den Tagesthemen, hat er vorsorglich das Wort „Freiheit“ gekauft. Für fünf Euro Freiheit. Wickert ist Geschäftsmann. Wie auch der Popstar unter den Sprachpflegern, Spiegel-Kolumnist Bastian Sick. Er ist natürlich ebenfalls Wortpate und hat „einander“ gekauft, was aber recht langweilig ist. Interessanter ist der Aspekt, dass die Aktion „Wortpatenschaft“ ein formidables Portal ist für Profilneurotiker, für Politiker etwa, die sich mit Wörtern wie „Menschlichkeit“ oder „Kulturhauptstadt“ dekorieren. Auch ausgefuchsten Konzernen kommt das Projekt zupass, schließlich lässt sich damit hervorragend werben. So hat der Seifenhändler Dirk Rossmann ganz uneigennützig eines der lieblichsten Wörter deutscher Sprache in seine Obhut genommen. Rossmann wählte: „Drogeriemarkt“, ein Wort, das andere nicht mal geschenkt haben wollten.

Aber zurück zur Ausgangsfrage: Was macht man als Wortpate? VDS-Sprecher Tobias Mindner schlägt vor, mit dem Wort Gedichte zu schreiben oder es auf T-Shirts drucken zu lassen. Wobei Mindner vergisst, dass T-Shirts mit der Aufschrift „Drogeriemarkt“ nicht mal in den Achtzigerjahren angesagt waren. Aber egal. Jedenfalls soll die Aktion laut Mindner das öffentliche Bewusstsein für die deutsche Sprache schärfen. „Basisdemokratisch“ funktioniere das am Besten. Und kaufen, sagt der Erfurter Öffentlichkeitsarbeiter, kaufen sei ja sowieso der falsche Ausdruck. Geld verlange man vor allem, weil Kosten anfallen würden. Und was übrig bleibe, komme dem VDS zugute.

Nachdem alle Deutschland waren, sind jetzt eben alle Wortpate. Was unmittelbar zusammen hängt, denn die Initiative „Du bist Deutschland“, die uns über Wochen mit merkelschem Optimismus betropfte und sich dafür unlängst feierte, ist auch mit von der Partie. Für ihren eigenen Slogan hat die Initiative gleich mal die Patenschaft übernommen. Auch Wortkombinationen lassen sich schützen, kostet aber mehr. Für die von Bertelsmann koordinierte Kampagne wohl nicht, die unterstützt die VDS-„Wortpatenschaft“ und wirbt dafür. Eine deutsche Hand wäscht gern die andere.

Im Internet wird darüber diskutiert, ob der VDS überhaupt feilbieten darf, was ihm gar nicht gehört. Schließlich sei Sprache Allgemeingut. Möglicherweise eine zu pedantische Sicht der Dinge, zumal es sich ja bloß um eine schnöde Werbekampagne handelt, mit der ein Sprachverein „auf unkonventionelle Weise“ spenden sammeln will. Der deutschen Sprache bringt das alles gar nichts. Und doch sollen schon rund 100 Menschen zugegriffen haben. Nur Vogelgrippe, Scheiße und Schwachsinn – die wollte bislang niemand haben.

BORIS R. ROSENKRANZ