„Wir machen keine Pornografie“

Elke Kuhlen (28) hat als eine von zwei Macherinnen des „Jungshefts“ den Frauenmagazinmarkt revolutioniert – mit einem Sexheft für junge Frauen. Warum sie von feministischen Posen trotzdem wenig hält und nun ein Mädchenheft für Jungs plant

INTERVIEW KIRSTEN REINHARDT

taz: Frau Kuhlen, Porno ist in den letzten Jahren aus der Schmuddel- in die Glamour-Trash-Ecke gewandert. Lars von Trier etwa macht mit seiner Produktionsfirma „Puzzy Power“ Pornofilme für Frauen. Sie treffen mit Ihrem Heft genau den Zeitgeist?

Elke Kuhlen: Das ist Zufall und keine marketingorientierte Entscheidung. Das ganze Ding war eine Schnapsidee: Nicole Rüdiger und ich haben oft darüber geredet, warum wir eigentlich nie die Gelegenheit haben, ganz normale Typen nackt zu sehen. Dazu kommt, dass der deutsche Frauenmagazin-Markt aus unserer Sicht komplett traurig und nichts sagend ist. Also haben wir unsere Sparbücher geplündert und das Heft gemacht, das wir selbst gerne hätten. Ein Heft mit nackten Jungs, in dem auch mal jemand was über Ausfluss schreibt.

Laut einer schwedischen Studie werden 13 Prozent der Männer durch Voyeurismus sexuell erregt, aber nur 4 Prozent der Frauen. Wenn man dieses Zahlenverhältnis mal auf Pornohefte überträgt – schließlich ist beides visuell –, sind die Marktchancen für Ihr Heft ziemlich schlecht …

Das stimmt. Unsere Wachstumschancen sind sicher gering. Selbst einige meiner Freundinnen, wirklich coole, aufgeklärte Frauen, sagen: „Elke, das braucht kein Mensch. Ich muss mir nicht die Schwänze von irgendwelchen Typen angucken.“

Wer sind denn Ihre Leser?

Frauen zwischen 18 und 35. Danach hört es auf, wir haben eben nicht den gut aussehenden Mittvierziger im Heft. Wir kriegen auch viele positive E-Mails von Schwulen, aber von zehn Heften, die wir am Tag verschicken, gehen neun an Frauen. Auch von denen bekommen wir schönes Feedback, etwa: Mädchen, 27, Studentin in Bremen, hat das Heft in ihrer 7er-Mädchen-WG auf dem Wohnzimmertisch liegen. Da denke ich: Hey, da sind wir genau richtig!

Feministinnen verdammen Porno, da er Frauen erniedrigt und reduziert. Sie zeigen erigierte Schwänze. Bekommen Sie auch kritische Reaktionen von Männern?

Ja, auf jeden Fall. Als ich uns gegoogelt habe, bin ich zum Beispiel auf die Seite „Männerrat“ gestoßen. Da wird uns „weiblicher Sexismus unter dem Deckmantel des Feminismus“ vorgeworfen.

Ende Januar hat die Emma 30-jähriges Jubiläum. Was bedeutet das für Sie, die Sie ja auch ein Magazin für Frauen machen?

Ich bin in keiner Weise Feministin. Ich stehe sozusagen selber meine Frau, ohne dass ich das Gefühl habe, dafür kämpfen zu müssen. Ich verstehe, wo die Emma herkommt, und finde es toll, dass die gekämpft haben. Aber, ohne denen ans Bein pinkeln zu wollen, ich glaube, das ist ein wenig überholt.

Bekommen Sie Zuspruch von feministischer Seite?

Die Reaktionen von Feministinnen sind erst mal sehr positiv, nach dem Motto: „Das ist gut, dass es euch gibt!“. Aber dann kommt immer der Hauch von Enttäuschung, wenn klar wird, dass wir keine Gegenbewegung gegen alle Tittenheftchen dieser Welt starten wollen.

Pornografie wurde von einer ganzen Generation verteufelt, selbst von denen, die sich als sexuell befreit bezeichnen. Wie locker sind Sie aufgewachsen?

Konservativ-bürgerlich, würde ich sagen. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, in der allerdings meine Mutter mehr Geld verdiente als mein Vater. Es hieß zwar schon mal „Der Rock ist jetzt aber zu kurz!“, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass meine Eltern verklemmt sind. Trotzdem war Sexualität kein offenes Thema, über das geredet wurde. Ich hätte allerdings ein Problem damit, wenn mein Vater wüsste, was wir machen.

Ihr Vater weiß nicht, dass Sie ein Pornoheft für Mädchen machen?

Nein, weiß er nicht. Um Gottes willen.

Er könnte dieses Interview lesen.

Ja, könnte er. Ich denke oft, wenn er anruft: Jetzt hat er es irgendwo gesehen. Mein Vater ist nicht verklemmt, aber eben auch nicht besonders sexuell freizügig. Wenn er es mitkriegt: okay. Was soll schon passieren. Aber das Heft ist nichts, womit ich stolz nach Hause gehe und sage „Papa, guck mal, was ich Tolles gemacht habe.“

Sie haben vorhin über die „traurige Frauenzeitschriften-Landschaft“ gesprochen. Was genau stört Sie daran?

Wir verstehen uns nicht als Gegenentwurf zu den konventionellen Frauenzeitschriften. Trotzdem fanden wir, dass einem da unglaublich viel vorgegaukelt wird. Wir wollen einfach Tacheles reden. Also: Wie bläst du einem Typen einen. Das steht nicht in der Amica. Da steht drin, wie ich mir die Augen schminke, und die 15 besten Flirttipps. Sex ist da zwar auch ein Thema, wird aber eher weichspülermäßig abgehandelt.

Die Ästhetik Ihrer Fotos ist sehr ehrlich und ungeschönt. Da sieht man auch mal einen Typen mit Pickel am Hintern

Ja, das ist d. i. y., do it yourself. Wir haben nicht die Möglichkeiten, die Jungs toll auszuleuchten, geschweige denn zu schminken. Und wir wollen sie auch nicht mit Photoshop bearbeiten. Die Realität ist nun mal so, und der Typ, der abends neben dir liegt, sieht nicht aus wie ein muskelbepackter, ölverschmierter Feuerwehrmann.

Wie läuft ein Jungsheft-Fotoshooting ab?

Wir fotografieren die Jungs zu Hause. Die Fotostrecken sind so aufgebaut: angezogen, ausziehen, nackt, Latte. Für den Typen sitzen dann erst mal zwei wildfremde Frauen in der Küche. Das ist mein Teil: reden, reden, reden, damit es nicht so unangenehm wird. Irgendwann muss ich dann sagen: „Wäre ganz gut, wenn wir mal anfangen“, weil wir schon einen Film mit ihm am Küchentisch verknipst haben. Es kommt vor, dass die Jungs dann sagen: „Sorry, es geht doch nicht.“ Dann war’s das.

Wie schwer fällt es den Jungs, auf Kommando eine Erektion zu bekommen?

Das ist ganz unterschiedlich. Es ist schon passiert, das wir reingekommen sind, der Typ hat uns einen Kaffee hingestellt und dann gar nicht lang rumgeredet, sondern angefangen, sich auszuziehen, sich einen runterzuholen – die Fotografin kam kaum hinterher –, und nach zehn Minuten waren wir wieder draußen. Es gibt auch Situationen, da hieß es: „Wartet mal, ich geh kurz zum Kiosk und hol mir ein Bier.“ Bei einem der Jungs im aktuellen Heft war die Freundin dabei. Ich glaube, sie fand das noch viel besser als er, dass er in dem Heft ist. Sie hat ihm dabei geholfen. Das mag sich seltsam anhören, aber in der Situation war das ganz natürlich.

Ihre Fotos sind ausschließlich von Frauen gemacht …

Ja, das liegt daran, dass Jungs in solchen Situationen lieber von Frauen fotografiert werden als von anderen Jungs. Das kann ich auch verstehen. Wir haben eine ganz tolle Fotografin in Köln. Die war sehr aufgeregt beim allerersten Shooting, und um die Situation zu entschärfen, hat sie sich einfach auch ausgezogen. Das hat gar nicht mit Sexualität zu tun – sie wollte einfach nicht, dass sich der andere schämen muss.

Weil „Erektionen über 45 Grad“ nach dem deutschen Strafgesetzbuch Paragraf 148 Pornografie sind, müssen Sie Ihr Heft entsprechend deklarieren. Wie sehen Sie das?

Wir empfinden das, was wir machen, nicht als Pornografie. Wir haben viel dazu gelernt, an das erste Heft sind wir völlig unbedarft herangegangen. Aus rechtlicher Sicht ist alles ziemlich schwierig, denn die Rechtsprechung bezieht sich nur auf Tittenheftchen. Es ist ja eigentlich keine Pornografie, wenn man einen nackten Menschen darstellt. Aber wenn man nackte Menschen erniedrigt darstellt, gilt es als Pornografie. Ich würde sagen, was wir zeigen, ist nicht erniedrigend. Es ist das, was jeden Tag in irgendwelchen Jungszimmern passiert.

Viele Jungs sind neidisch auf das „Jungsheft“ und wünschen sich, dass es das auch für sie gäbe: ein Heft mit dem ganz normalen, netten, nackten Indie-Girl.

Daran arbeiten wir gerade. Wir haben auch viele solcher Mails bekommen, weil es so etwas für Jungs tatsächlich nicht gibt – trotz der vielen Sexheftchen, die da draußen unterwegs sind. Im Februar wird es eine Kleinstauflage geben mit ganz normalen Mädchen. Klar hat man im Playboy auch Sabine Müller, Zahnarzthelferin aus Paderborn, aber die ist komplett aufgepimpt und sechsmal durch den Photoshop gelaufen. Es war übrigens viel schwieriger, Mädchen zu finden, die sich ausziehen, das hätte ich nicht gedacht. Da ist man wahrscheinlich doch bei diesem Frau-Mann-Ding. Frauen haben ganz schnell Angst davor, in die Schlampenecke gesteckt zu werden. Männer sehen das eher als Mutprobe.