Unerwünschter Intellektueller

Er ist integriert, aber Deutscher kann er nie werden: Luc Degla schreibt mit afrikanischem Auge über den Alltag in Braunschweig. Er würde jede Stelle annehmen. Trotzdem droht dem Wirtschaftsingenieur die Abschiebung

Das Spanferkel mit Kartoffelsalat hat er geliebt. Aber die Mettbrötchen mit Zwiebeln, die er heimlich „Feuerwehrmarmelade“ nennt, hat Luc Degla nie angefasst. Der Mann aus Benin war Mitglied in einem stockkonservativen Verein von Ratsherrn. Wenn er im Vereinskeller sein Handy herausholte, dann wurde er gefragt, warum er nicht seine Buschtrommel dabei habe. Aber nein, es sei kein rassistischer Verein, schreibt der 38-Jährige in seinem gerade erschienen Buch „Das afrikanische Auge“. Immerhin machten die Braunschweiger Honoratioren auch Witze über Polen und Franzosen. Und doch schloss ihn der Verein eines Tages per Beschluss der Vollversammlung aus – „wegen mangelnder Trink-Solidarität“.

„Ich finde das lustig“, sagt Luc Degla. Junkies sprechen ihn auf der Straße an, ob er Drogen verkauft, Dealer fragen ihn, ob er nicht für sie verkaufen kann, Polizisten filzen ihn, weil er vielleicht Dealer ist. Alltag für Farbige in Deutschland und irgendwie auch lustig, findet Degla. Aber nur, wenn man sich ein dickes Fell angeschafft hat.

In seinem Buch klagt er nicht, er erzählt nur, wie es ihm in seinen 13 Jahren in diesem Deutschland ergangen ist. Er wollte seinen Mitbürgern einfach mal „einen Einblick in das Leben eines Ausländers gestatten“, sagt Degla. Das tut er, mal ironisch, mal distanziert, mal fatalistisch – und immer mit etwas wie Liebe für seine Stadt: Braunschweig. „Viele Afrikaner schreiben Jammer-Geschichten“, sagt Degla. „Aber ich will kein Opfer sein.“

Seinen Blick hat die lange Zeit im Ausland geschärft. 1989 ging Degla von Afrika nach Moskau, um Maschinenbau zu studieren: „Dagegen, was ich in Russland erlebt habe, ist das hier ein Kindergartenspiel“, meint er. 1994 wurde Degla nach Deutschland gespült, im vergangenen Jahr bekam er sein Diplom als Wirtschaftsingenieur von der TU Braunschweig, wo er den afrikanischen Studentenverein leitete. Degla schrieb für das Stadtmagazin „Da Capo“. Er hält Lesungen, macht Radio und legt als DJ im Kulturzentrum „Brunswiga“ oder auf Hochzeiten Udo Jürgens und Nena auf. „Ich bin integriert, aber ich kann nie Deutscher werden“, sagt Degla.

Das hat seinen Grund: Er ist der „erste afrikanische Autor, der aus Braunschweig kommt“, schreibt die Lokalzeitung nicht ohne Stolz. Und doch muss Degla Deutschland verlassen, wenn er nicht bis Ende März eine Arbeit gefunden hat. Freunde raten ihm, eine Deutsche zu heiraten. Das will er nicht, das wäre „auch gar nicht so leicht“.

Als Nicht-EU-Ausländer könnte er eine Firma gründen, Kneipier im Dibbesdorfer „Burundi black“ zu sein, reicht aber nicht. Für eine Aufenthaltserlaubnis müssen Gründer eine Million Euro Kapital auf den Tisch legen und zehn Mitarbeiter anstellen.

Degla ist zwar einer der Fachkräfte, die die Wirtschaft händeringend sucht, aber die Hürden des Ausländergesetzes überspringt er nicht: „Ich würde jede Arbeit annehmen, streichen oder verkaufen, was auch immer kommt“, sagt Degla. Allerdings dürfe sich kein Deutscher oder EU-Bürger mit der gleichen Qualifikation beworben haben.

„Lieber Herr Innenminister“, schreibt Degla in seinem Buch. „Ich kann mit geschlossenen Augen das niedersächsische Land befahren. Ich war an der Küste der Nordsee, in den Bergen, auf dem Brocken und überall in den Tälern. Ich möchte partout bleiben, sonst würde mein Traum nicht in Erfüllung gehen. Denn meine Abreise aus Deutschland gleicht einem Schreibverbot. Leider kann ich in meinem Heimatland nicht schreiben, weil ein Schriftsteller Leser braucht. In meinem Land kostet ein Buch ein Vermögen, bis zu einem Monatslohn. Sehen Sie, Herr Minister, ich kann nur in Deutschland leben.“ Kai Schöneberg

Luc Degla: „Das afrikanische Auge“. Cargo Verlag 2006, 14,80 Euro