Moscheebau: Raus aus den Hinterhöfen!

Der Streit um die Moscheen von Köln und anderswo ist heuchlerisch - wer Integration will, darf muslimische Gotteshäuser nicht verstecken.

Die Minarettspitze der Moschee in Berlin-Neuköln (Bau 2003) kommt an Bild: dpa

Der in Köln lebende Schriftsteller Dieter Wellershoff hat dem eitel Haschen nach Wind, das den Konflikt umweht, kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine böse Abfuhr erteilt. Artikel 4 des Grundgesetzes garantierte das freie Recht auf Religionsausübung, und das gelte selbstverständlich auch für Menschen, die dem Islam anhängen. In diesem Grundrecht - das dem der Freiheit von Religion nicht übergeordnet ist - steckt selbstverständlich, und zwar auch begreifbar für alle Kritiker der islamisch-parallelgesellschaftlichen Wirklichkeit wie etwa der tapferen Necla Kelek, auch das Recht, Moscheen zu bauen. Mariam Lau in der Welt hat diesem Ansinnen den freundlichsten Takt verliehen: Eine Moschee, die sichtbar ist, ist für die Integration jener neuen Deutschen, deren Vorfahren sich meinetwegen als Libanesen, Türken, Albaner, Bosnier oder Marokkaner verstanden, besser als alles das, was bislang die Präsenz und Repräsentanz von Muslimen in Deutschland ausmacht: "Nie wieder Hinterhof."

Recht so. Eine kulturelle oder religiöse Praxis, die sich in Formen des Undergrounds zum Ausdruck bringen muss, fördert tatsächlich nur das, was man nicht will: eine Gesellschaftlichkeit, die sich bockig den Segnungen des Grundgesetzes verweigert. Man stelle sich vor, Christen oder Juden müssten sich demütigend vor der Errichtung ihrer sakralen Bauten Bürgerforen stellen und Bedingungen erfüllen, die weit in den Geltungsbereich des Religiösen fallen - und nur in diesen. Müssten erklären, warum - wie bei orthodoxen Juden - Frauen nicht gleichberechtigt neben Männern Platz nehmen dürfen, hätten zu erläutern, warum Frauen kein Priesterinnenamt übernehmen dürfen. Gemessen an unserer Verfassung und den Wünschen, die unsereins mit dieser Präambel allen Gesellschaftlichen hegen mag, müssten die katholische Kirche und die Gemeinde der orthodoxen Judenheit wegen Verletzung von Grundrechten geschlossen werden.

Auch die gegen Moscheenbauten vorgebrachten Argumente ziehen nicht, jedenfalls nicht an dieser Stelle, nicht mit Blick auf diese Debatte. Dass beispielsweise der Bauträger jener projektierten Moschee in Köln-Ehrenfeld die Ditib, die quasi auf der Zahl- wie Moralrolle der Türkei stünde. Und was sagen jene dann zu katholischen Kirchen? Dass sie im Zweifelsfall sich vom Papst abgewandt haben?

Absurd, vollständig obskur als Argumentationsfigur. Alle Einwände gegen das muslimische Begehren heucheln, denn sie gehen nicht um die Sache, die unter dem Schirm des Grundgesetzes Schutz verdient hat, sondern um Vorurteiliges: Man maßt sich an, etwas mitzudefinieren, was mitzubestimmen jede Freikirche, jede katholische Konferenz oder jede jüdische Versammlung sich mit gesetzlich geschützten Gründen verbitten würde. Da bestimmt eine Mehrheit über eine Minderheit - und ist, Dieter Wellershoff erwähnt auch dies in seinem Text klarsichtig, doch nur neidisch, dass das Muslimische populär ist, die christlichen Gotteshäuser aber unter Auszehrung leiden.

Der Plan: Im Kölner Viertel Ehrenfeld knapp außerhalb der Altstadt und des Bahnrings soll vom Herbst an eine Moschee errichtet wreden, die 2.000 Gläubigen gleichzeitig Platz bieten soll. Die Pointe: Der Sakralbau ist so mächtig dimensioniert, dass er in der Stadtsilhouette deutlich sichtbar würde. Initiatorin des von allen gewöhnlichen Parteien unterstützten Vorhabens ist die türkisch-islamische Vereinigung Ditib.

Die Kritik: Der Publizist Ralph Giordano ("Die Bertinis") veröffentlichte am 2. Juni in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Text unter dem Titel "Nein und dreimal nein!", in dem er von der Stadt Köln forderte, den Bau dieser Großmoschee einzustellen. Seine Argumentation lässt sich ungefähr so bündeln: Die Moschee sei kein Symbol wachsender Integration der muslimisch geprägten Einwanderer nach Deutschland, sondern eine Verhöhnung aller Kritik, die an einem islamistischen Glaubensverständnis zu äußern sei. Unter anderem die geringwertige Schätzung der Frau in der Gemeinde, das Verhüllungsgebot mittels Kopftuch sowie überhaupt die Tendenz der Förderung von sogenannten Parallelgesellschaften. Der Islam, so Giordano, sei nicht ingegrationsfähig.

Der Stand der Dinge: Die publizistischen Einsprüche, jüngst außerdem Einwände seitens der kölnischen CDU, werden am Baubeginn im Herbst nichts ändern - eingeweiht werden soll die Moschee in zwei Jahren.

In Wahrheit muss allein die Debatte um diese Moscheen, ob eben in Köln oder jüngst in Berlins Bezirk Pankow, alle Menschen mit Einwanderergeschichte kränken: Man ist im Lande, müht sich, will "unter sich" sein, weil das alle tun - und darf doch mit mitreden. Sondern muss sich absegnen lassen. Natürlich müssen die Moscheeninitiatoren auch in Schutz genommen vor ihren Freunden aus den multikulturellen Glaubensmilieus: Die schützen Religion sonst nie, nur bei Muslimen, und erkennen Islamophobie, wo nur Skepsis dräut. Warum auch nicht?

Aber alle Kritik, alles Ressentiment kann bodenlos werden, wenn jene, die eine Moschee als ihr Repräsentationszeichen aufgebaut sehen möchten, Hinterhöfe nicht mehr nötig haben wollen. Man sollte sie ermutigen: Baut nicht nur eine, sondern viele Moscheen! Eure Kritiker regen sich über die Rufe des Muezzin auf? Na und? Dann klagt gegen christliches Geschepper sonntags um zehn Uhr. Seid gefälligst forsch in der Durchsetzung eurer Ansprüche an die neue Heimat, die doch bitte Deutschland sein möge.

Eine Kritik am real praktizierten Islam mit der Erlaubnis des Baus von Sakralbauten zu verknüpfen, ist infam und dient nicht nur nicht der Beruhigung, sondern stigmatisiert unnötig. Stimmt doch alles, was Necla Kelek und in manchen Passagen auch Ralph Giordano zu monieren haben: Der ganze Hokuspokus um Allah, um Mekka, um Männer und Frauen, Kopftücher und Sexgelüste, um eine grotesk anmutende Vorstellung von Geschlechtertrennung ... aber, bitte, jede Kritik an religiöser Spökenkiekerei ist doch nicht nur in Ordnung, sondern krass geboten, auch gegen all jene, die in Kopftüchern von Frauen bequemlich nur Mode erkennen wollen, keine politischen Statements im durchaus schariahaften Sinne. Doch eine Moschee zu bekritteln, weil einem die Ausprägungen des real existierenden Glaubens nicht behagen, ist zu einfach: Lieber an die Öffentlichkeit holen, lieber diese Religion im Lichte des Repräsentativen prüfen und ätzender Kritik aussetzen. Lieber Karikaturen wie die dänischen zeichnen lassen, als diese zu verbieten.

Die beste Kritik am Religiösen wird zur Waffe, wenn man das "Opium des Volkes" (Karl Marx) es rauchen lässt - und es im Leeren enden lässt. Aufwallungen qualmen sich ja rasch auf: Warum sollte nicht auch der Islam in Deutschland zu einer Glaubensgeschichte unter anderen werden? Mehr als der "Seufzer der bedrängten Kreatur" (Marx ebenda) namens Giordano wundert doch, dass jene, die Lust an Moscheen, an mächtigen, haben, nicht noch mehr fordern. Sind wohl noch sehr dem Opferdiskurs verhaftet - und wissen nicht, dass man nur als Ausländer Opfer sein darf: Aber als Neudeutsche, nicht wahr, möchte man doch mal fühlen, dass da Ehrgeizlinge am Werk sind, Aufsteiger, die vor Ärger nicht zurückscheuen. Haben sogar Fürsprecher wie Navid Kermani neulich im Kölner Stadtanzeiger nötig, die alles nur in einer Soße aus Missverständnisversteherei und Friedensappelliererei verrühren können, wenn sie dem Volk aufs Maul schauen.

Es gibt ein gutes Vorbild, wie man's besser machen kann. Preußens König Friedrich II. hat, kurz nachdem sein Land Schlesien in einem Krieg erobert hatte, im absolut katholenfreien Berlin eine katholische Kathedrale bauen lassen. Damit sich die schlesischen Arbeiter, die es in die aufstrebende Metropole im märkischen Sand zog, willkommen geheißen fühlten. Möglicherweise lagen die monarchischen Motive auch in Finsterem begründet, etwa darin, im neuen Preußen zur Arbeit anzuhalten, mit päpstlicher Aura inklusive. So sorgte er, gegen den religiösen Mainstream - Preußen war antipapistisches Kernland der Protestanten -, für eine im Sinne der bürgerlichen Aufklärung offene Atmosphäre. Friedrich II. interessierte sich übrigens für die Feinheiten religiöser Spinnerei nicht die Bohne- aber er wusste, dass ein Integrationskonzept ohne Anerkennung traditioneller Praktiken niemals gedeihlich wirken würde.

Kurzum, zur Pointe am Schluss: Moscheen in Kölns Viertel Ehrenfeld, in Pankow oder andernorts, jedenfalls nicht in Hinterhöfen, reichen nicht. Das sind nur Läppergesten. Warum regt Wolfgang Schäuble nicht an, weshalb sollte nicht möglich sein, auch die Silhouette der Hauptstadt zu verändern? Für eine Moschee also in Berlins Mitte, an einer Prachtstraße, am besten Unter den Linden. Dort, wo alle klassischen Insignien des modernen Deutschland Zeichen gesetzt haben. Das Brandenburger Tor als Signum verfassungspatriotisch umgedeuteter Architektur preußischen Prunks - am anderen Ende der Fernsehturm mit DDR-Provenienz. Dazwischen das Rote Rathaus, der evangelische Dom, leicht versetzt in die frühere Spandauer Vorstadt die Synagogenkuppel des Centrum Judaicum, wiederum am Bebelplatz, gegenüber der Humboldt-Universität, die von der aufstrebenden Großmacht Preußen im Sinne ihrer Toleranzedikte erbaute katholische Kathedrale.

2011 soll dort das Schloss wieder aufgebaut worden sein, seis drum. Doch weshalb nicht einen Platz noch finden für eine, meinetwegen bauhausianisch gestylte, Moschee? Mit Minaretten und Kuppel? Smart, hübsch, präsentabel, zum Abgeben prachtvoll. Glänzend, einladend, Neugier weckend, respektvoll? Was spricht dagegen, unseren neuen BürgerInnen zu zeigen: Das ist das Symbol dessen, was in Deutschland auch sein kann - eine Anerkennung, die mit Leben zu erfüllen ist?

Dass ein solches Projekt Geschrei auslösen würde, versteht sich von selbst. Aber die Furcht, die Giordano artikuliert, die Necla Kelek in den Alltagen der Einwandererviertel zurecht artikuliert, lässt sich nicht bannen, indem Moscheen quasi verboten werden. Vielmehr müssen sie gefördert werden: In Hinterhöfen betet nur, wer etwas zu verbergen haben könnte. In aller einsehbaren Öffentlichkeit aber kann durchsichtig werden, was zuvor Angst stiftete. Moscheen sind keine schlechteren Religionsausübungsstätten als christliche Kirchen oder jüdische Synagogen. Nur gewöhnungsbedürftiger, wer so will. Moscheen sind nicht nur nichts für Katakomben ("Hinterhöfe"), sondern als Symbol beinharten Willens zur Integration seitens der Mehrheit unerlässlich - in der mittigsten Mitte der Republik, weithin sichtbar für alle, für Touristen, für Einheimische. Und für Muslime. Sie können dann erkennen: Moscheen sind keine improvisierten Gastarbeiterhäuser, sondern Sakral- und Vorzeigebauten neuer Deutscher.

Denn darum es uns doch gehen: Die Muslime dazu zu verführen, durch den Moscheebau freiwillig die fundamentalistischen Strömungen ihres Glaubens trocken zu legen, sie von Mutmaßlichkeiten der Dissidenz zu lösen: Das Christentum hat doch in diesem Sinne auch "kastriert" werden können!

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