Vielfalt auf dem Fußballfeld

Sechs Mannschaften unterschiedlicher kultureller Herkunft demonstrieren bei einem Turnier in Kreuzberg erfolgreich, wie Sport vermeintliche Gegensätze spielend leicht vergessen lässt

VON DENNIS KAZOOBA

Petra Pau hat alles unter Kontrolle. Zufrieden sitzt die Bundestagsabgeordnete der Linken am Spielfeldrand und beobachtet, wie die von ihr an diesem Tag betreuten Türkiyemspor Allstars ihre Spiele größtenteils gewinnen. Einschreiten muss sie nicht, die Jungs wissen, was sie tun. Und zu ernst sollte man die Spiele auch nicht nehmen, denn es geht es um mehr, als nach Toren zu gewinnen. Der dritte Avitallscup steht auf dem Programm am Sportplatz in der Wiener Straße, einem jener schönen Kreuzberger Spielfelder in Parklage, auf dem man schon als Jugendlicher gegen brillant aufspielende 14-jährige Türkiyemspor-Spieler verloren hatte und die auch heute keinen Zweifel daran lassen, wer hier Heimrecht hat. Die Veranstalterin hat einen DJ mitgebracht, der das Feld und den angrenzenden Görlitzer Park mit Hiphop beschallt. Außerdem Essen. Viel und lecker. Eigentlich ist Türkiyemspor selbst nur Gast beim Turnier, doch man beteiligt sich konstruktiv und nach Kräften. Ganz im Sinne des Ausrichters.

Die Veranstalterin des Avitallscup kommt auf den ersten Blick aus einer anderen Ecke: Die Kantorin der Jüdischen Gemeinde, Avitall Gerstetter, lud 2005 zu einem ersten Fußballspiel zwischen jüdischen und muslimischen Jugendlichen. Damals standen Verständigung und Respekt zwischen und für Religionen im Vordergrund. Bei der nun dritten Auflage des Turniers am Sonntag wurden diese Werte des friedvollen Zusammenlebens auf verschiedenste Lebensweisen und Mentalitäten ausgedehnt.

Polizei auf dem Platz

Auch das Teilnehmerfeld ist gewachsen – auf sechs Mannschaften: Es gibt eine schwul-lesbische Mannschaft, die jedoch von Anfang an den massiven Wettbewerbsnachteil beklagt, dass man in der Nacht zuvor ja den CSD hätte feiern müssen und eigentlich nicht in der Lage zu sportlichen Höchstleistungen wäre. Auch Vater Staat ist erstmals vertreten: Die Kreuzberger Polizei schickt „Abschnitt 52“, eine sympathische Truppe, das sei an dieser Stelle erwähnt. Außerdem kam vom Referat „Soziale Stadt“ der Senatsverwaltung ein Team. Wie offen man auf Veranstalterseite für neue Gruppierungen ist, zeigt darüber hinaus die Anwesenheit der „Trojan Helmets“, die als „atheistische, linke Ostberliner Skins“ verstanden werden wollen. Man wolle zeigen, dass man mit Rassismus gar nichts am Hut habe.

Wobei das Schreckgespenst Rechtsradikal an diesem Nachmittag nur die Rolle spielt, die ihm eigentlich gebührt, nämlich gar keine. Vielmehr geht es darum, Spannungen und Vorurteile im Zusammenleben der vielen normalen Menschen unterschielichster Herkunft in Berlin zu verbessern: „Das Schöne am Cup ist auch schon die Organisation im Vorfeld. Menschen verschiedenster Lebensweisen saßen an einem Tisch und haben konstruktiv zusammengearbeitet, dadurch entstand ein lockeres Netzwerk, man bleibt in Kontakt, bis zum nächsten Jahr“, sagt Avitall Gerstätter, die hier von allen geduzt wird. Dennoch soll der Sinn des Cups weiterhin von allen Teilnehmern verstanden und aktiv gelebt werden und nicht zur Massenveranstaltung ohne Bezug verkommen. Daher soll die Organisation in der Hand der Jüdischen Gemeinde bleiben, das Turnier sei auch Ausdruck „des jüdischen Wunsches nach Verständigung“, so die umtriebige junge Kantorin.

Auf dem Platz kommt es derweil zum fußballerischen Höhepunkt: dem Duell zwischen Türkiyemspor und der jüdischen Mannschaft, die zu großen Teilen aus Spielern von Makkabi besteht. Für die einen Muslime gegen Juden, hier und heute eher Berlina gegen Berlüner und zwei verschiedene Religionen miteinander. Zwar gibt es auf dem Platz einige strittige Szenen. Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass zwei gute Mannschaften aufeinandertreffen, fair bleibt es immer. Was auch an dem Schiedsrichter, dem grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, liegt, der die Ruhe selbst ist – ist er sich nicht sicher, wird nicht gepfiffen.

Umkämpfte Spiele

Doch am Ende des Turniers steht eine Überraschung. „Abschnitt 52“ nimmt den Pokal mit nach Hause. Höflich beklatscht, aber sogleich mit Revanche-Forderungen überzogen, freuten sich die Polizisten ehrlich: „War ein schweres Stück Arbeit, Türkiyem und Makkabi waren stark, aber verdient haben wir es.“ Eine Ansicht, die der Schiedsrichter nicht unbedingt teilen konnte; er hatte gar überlegt, das letzte Spiel vorzeitig abzupfeifen, um zwei Sieger zu haben.

Bei der Siegerehrung strahlte jede Mannschaft und am meisten Neu-Trainerin Petra Pau, die sogleich zu berichten wusste, dass am Sonntag die 1. A-Mannschaft in die Regionalliga aufgestiegen ist. Einer ihrer Schützlinge, Celal Bingöl, war es, der das Motto des Tages am griffigsten zusammenfasste: „Es ist völlig egal, wie jemand aussieht, wo er herkommt oder welche Religion er hat. Wichtig ist, dass wir alle zusammen ’ne gute Zeit haben.“