„Rot-Grün als Chance begreifen“

Christa Goetsch, grüne Fraktionschefin und designierte Spitzenkandidatin bei der Wahl in Hamburg, im taz-Interview über Rot-Grün an Weser und Elbe, die Genesung der SPD und den Hauptgegner CDU

Christa Goetsch (54) wird im November offiziell zur Spitzenkandidatin der Hamburger Grünen für die Bürgerschaftswahl am 24. Februar 2008 gekürt werden. Die Lehrerin und Bildungsexpertin, Hauptautorin des grünen Schulkonzepts „9machtklug“, ist seit 1997 Mitglied der Bürgerschaft, seit 2002 ist sie Fraktionschefin der Grün-Alternativen Liste (GAL). Nach jüngsten Umfragen liegen SPD und GAL zusammen mit 29 plus 16 Prozent vor der seit 2004 absolut regierenden CDU des Ole von Beust (41%). Unklar ist, ob Linkspartei (6%) und/oder FDP (4%) den Einzug in die Bürgerschaft schaffen und eventuell ganz neue Koalitionsbildungen erzwingen.  SMV

Interview Sven-Michael Veit

taz: Frau Goetsch, Bremen wird wieder rot-grün regiert. Das wird Sie vermutlich freuen.

Christa Goetsch: Natürlich. Und die Grünen in Bremen stellen ja auch zwei sehr gute SenatorInnen. Karoline Linnert ist eine ausgewiesene Finanzfachfrau, und Reinhard Loske als Senator für Umwelt, Bau und Verkehr ist ebenfalls eine sehr gute Wahl. Aus grüner Sicht, denke ich, steht einer guten Politik für Bremen nichts im Wege.

Sie haben in der rot-grünen Koalition in Hamburg 1997 bis 2001 nicht nur gute Erfahrungen mit der SPD gemacht. Haben Sie einen Rat für die Bremer Grünen?

Eigentlich nur einen: Die eigenen Erfolge auch nach außen wirksam darzustellen. Tue Gutes und rede darüber – das haben wir in Hamburg zu wenig gemacht. Und wenn es mal Konflikte gibt, dann sollten die nicht nur hinter den Kulissen ausgetragen werden, sondern auch mal öffentlich. Die BürgerInnen müssen wissen, welches die grüne Position ist.

Welche Konfliktpunkte sehen Sie bei Rot-Grün Bremen?

In erster Linie Hafenpolitik, Weservertiefung, das geplante Kohlekraftwerk – das sind Themen, wo es schwierig wird.

Die Weservertiefung ist im Koalitionsvertrag bereits abgenickt, die Kraftwerksfrage wurde ausgeklammert ...

Ja, eben. Dem einen Thema wurde schweren Herzens zugestimmt, das andere vertagt. Das wird nicht einfach werden. Aber zunächst mal sollten wir die zurzeit einzige rot-grüne Koalition in Deutschland als Chance begreifen ...

Und nicht als potenziellen Problemfall?

Auf keinen Fall.

Hamburgs SPD scheint nach ihrem Parteitag am Sonnabend auf dem Weg der Besserung zu sein. Das freut Sie vermutlich ebenfalls?

Es kann nur gut für Hamburg sein, dass die SPD ihre Grabenkämpfe überwunden hat und jetzt sie und ihr Spitzenkandidat Michael Naumann zusammenwachsen.

Als Naumann im März auf der politischen Bühne erschien, wollte er noch die Studiengebühren senken, die Parteibeschlüsse aber sehen die Abschaffung vor. Jetzt ist auch der Kandidat neuerdings gegen Studiengebühren: Ein Beispiel für das, was sie Zusammenwachsen nennen?

Herr Naumann und die SPD müssen sich erstmal finden, das passiert seit März schrittweise und hat ja auch jetzt auf dem Parteitag seinen Ausdruck gefunden. Er wurde mit 99 Prozent Zustimmung nominiert, das ist doch ein deutliches Signal. Wir Grüne wollen keine Gebühren im Erststudium, wenn Herr Naumann und die SPD das auch so sehen, ist uns das natürlich recht.

Weil es eine weitere inhaltliche Übereinstimmung wäre. Ist Rot-Grün in Hamburg für Sie erste Wahl oder einzige?

Wir kämpfen für unsere eigenständigen grünen Position, als Regierungskonstellation ist Rot-Grün erste Präferenz.

Das geht aber nur in einer Bürgerschaft aus drei Fraktionen: Absolute Mehrheit für die CDU oder für SPD und GAL.

Ja, das sieht dann nach Rot-Grün aus.

Bei mehr Parteien, plus FDP und/oder Linkspartei, wird es unübersichtlicher.

Dann gäbe es vielleicht Schwarz-Gelb, was nur schrecklich wäre. Und sollte die Linke, die als Partner schwer vorstellbar ist, diese Mehrheit ebenso wie eine rot-grüne verhindern ...

Dann müssen CDU, SPD und GAL sondieren ...

Ja, sicher. Wenn rechnerisch nur Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün möglich sein sollte, wird man darüber sprechen müssen. Klar ist, dass eine große Koalition verheerend ist. Das bedeutet Stillstand, das sehen wir ja im Bund und auch in Schleswig-Holstein.

Dann reden wir doch über Schwarz-Grün: Welche inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen GAL und CDU sehen Sie?

Es gibt in erster Linie Differenzen. Schule und Bildung, soziale Gerechtigkeit und soziale Stadtentwicklung, der Umgang mit Flüchtlingen und dem Thema Zuwanderung, die direkte Demokratie durch Volksgesetzgebung, die Innenpolitik, die Umwelt- und Klimapolitik – das sind entscheidende Themen, wo wir weit auseinander liegen. Für uns Grüne bleibt die CDU der politische Hauptgegner.

Und wie sieht die Schnittmenge mit der SPD aus?

Differenzen sehe ich eher in der Wirtschaftspolitik, vor allem bei Großprojekten wie der Elbvertiefung, und in Teilen der Innenpolitik. In allen anderen Themenfeldern aber gibt es viele Gemeinsamkeiten – zumindest in der Zielbeschreibung. Verkehrspolitik wäre mit beiden schwierig, denn letztlich sind CDU wie SPD Auto-fixierte Parteien.

Die SPD will die soziale Gerechtigkeit zu ihrem Hauptthema im Wahlkampf machen ...

Soll sie, da liegt wirklich vieles im Argen. Im Gegensatz zur SPD haben wir Grüne unser Konzept aber bereits vorgelegt. Es beschreibt die Verknüpfung von Arbeitsmarktpolitik mit sozialer Stadtentwicklung, mit den Themen Kitas, Schulen, Jugend, Familien und Gesundheit. Das ist unser ganzheitlicher Ansatz für eine Politik aus den Quartieren für die Quartiere, der soziale Teilhabe und Arbeitsplätze schafft. In der Zielrichtung sind wir uns da mit der SPD einig, aber wir warten gespannt darauf, was sie als Programmatik vorlegen wird.

Nochmal zur CDU: Bürgermeister Ole von Beust hat sich ja offiziell zum Klimaretter gewandelt ...

Das ist alles andere als glaubwürdig, er macht bisher nur Symbolpolitik ohne Substanz. Das sieht man beim geplanten Bau des Steinkohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg, dessen CO2-Ausstoß alle Klimaschutzanstrengungen zunichte machen würde. Das ist Energiepolitik von vorgestern, ebenso das Reden über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Das ist mit uns Grünen nicht zu machen.

Wir wollen die Energiewende so schnell wie möglich: Energie sparen, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien – das ist zukunftsfähig und nachhaltig, das ist die Verbindung von Ökologie und Ökonomie. Und da ist klar, dass wir Grüne das Original sind.