Trendforschung: Welche Frau darf es sein?

Ortstermin unter Frauen: Trendforscher Matthias Horx hat für die neue Zeitschrift "emotion" Leserinnen katalogisiert und mal wieder einen Megatrend ausgemacht: die "Glücksstrateginnen"

Verheult a la Maria Schell war gestern: Die Frau von heute blickt optimistisch nach vorn! Bild: dpa

Der Mann vom Seniorenmagazin ist definitiv falsch hier. Er ist selbst schon ein Senior und fragt, warum denn die Frauen, die ihre demenzkranken Eltern pflegen, in Matthias Horx schöner Frauentypologie nicht vorkommen. In der Tat, unter den "Glücksstrateginnen", in denen der Trendforscher Horx gestern im Berliner Hyatt-Hotel die Zukunft der Frauen erblickte, kommt das Thema Pflege nur als Pflege des Selbstbildes vor. Kein Wunder: Horx hat für die neue Frauenzeitschrift von Gruner + Jahr emotion deren Leserinnen katalogisiert - sie aber zugleich zu einer Art Avantgarde der Frau von morgen erklärt.

Emotion ist Psychologie heute heruntergezoomt bis kurz vors Brigitte-Niveau. Keine Diäten, keine Mode, dafür emotionales Selbstdesign: "Richtig Konflikte lösen", "Mut zur Selbsthilfe", der "Mythos Multitasking" und was man heute noch alles so braucht in seiner komplizierten Beziehung und dem prekären Job. Die Leserinnen der Zeitschrift (Auflage: 125.000) sehen sich, so stellt Horx heraus, als durchweg optimistische junge Pragmatikerinnen, Glücksstrateginnen eben. Offenbar sind sie noch etwas zu jung für das Thema Demenz. Der Seniorenjournalist verlässt den Raum.

Übrig bleiben viele sportlich-frisch gehaltene, aber vom Arbeitsstress nicht ganz unberührt gebliebene Frauen, die sich meist als "freie Journalistin" vorstellen. Als freie Journalistin braucht man heute ja auch eine ganze Menge Optimismus, die Anwesenden können mit dem Label "Glücksstrategin" durchaus etwas anfangen. "Und welcher Glückstyp sind Sie?", fragt meine Nachbarin mich interessiert. Leider bin ich in Selbsttypologisierung nicht so geübt. Sie dagegen outet sich als Typ 2, die "Sterntalerin", die etwas verträumt auf ihr Glück wartet - aber immer aus allem das Beste macht. Zur Auswahl stehen noch "Self-Designerinnen" (Karrieremütter wie Silvana Koch-Mehrin), "Pippilotta-Deluxe" (Kreative Projektemacherinnen à la Charlotte Roche) und die "Glücks-Diana", die Einzige, die noch nicht so glücklich ist, sondern dem Glück etwas unsicher hinterherjagt. Aber das ist nur die allerkleinste Gruppe unter den vieren.

Matthias Horx kündet der deutschen Wirtschaft mittlerweile schon seit 15 Jahren vom "Megatrend Frauen", den er in den emotion-Leserinnen verkörpert sieht. Seit dem Jahr 2000 gibt es mehr gut ausgebildete Frauen als Männer. Aus dieser Umkehr schließt mittlerweile nicht nur Horx, dass Frauen bald mehr arbeiten, mehr Geld haben, mehr konsumieren - und deshalb dringend als Zielgruppe ins Auge gefasst gehören. Seit dem Merkel-Schock schwenkt auch die Medienwelt auf diese Schiene ein und schreibt nun allerorten "die Frauenrepublik" herbei, wie kürzlich der Spiegel. Großzügig übersehen solche Trendmeldungen, dass die gebildeten jungen Damen bisher meist in Teilzeitjobs landen, was den Konsum in Grenzen hält - und auch die Karrierechancen.

Kann sich ja alles noch ändern, aber bisher wirkt die schöne neue Frauenwelt des Herrn Horx deshalb oft etwas verzerrt. Gern wird dann auch der Wunsch für die Wirklichkeit genommen: Die Frauen wollen beruflich erfolgreich sein und eine gleichberechtigte Partnerschaft. Sie wollen auch eine schöne "Work-Life-Balance" zwischen Kindern und Beruf. Diese Balance erkaufen sich bisher die meisten jedoch mit dem Verzicht auf Karriere, der dann auch eine Unwucht in die Partnerschaft bringt, weil man finanziell abhängig bleibt. Aber das ist unter den gegebenen Umständen tatsächlich eine geeignete "Glücksstrategie": Mit einem wirklich gleichberechtigten Konzept wäre man um einiges stärker gestresst. Und das schadet ja der "Wellness", die laut Horx für diese Klientel auch äußerst wichtig ist.

Aus der Marketingperspektive interessant ist dabei, dass Zeitschriften wie emotion genau in der Lücke zwischen diesem positiven Wunschselbstbild und der Realität operieren. Letztendlich sind die Leserinnen der emotion in der schwierigen Phase der Teilzeitarbeit mit kleinen Kindern. Was kommt danach? Lande ich auf dem "Mommy-Track"? Schaffe ich es, mit Kindern voll zu arbeiten? Wie reagiert mein Chef, wenn die Kinder krank sind? Und wie kann ich meinem Mann verklickern, dass er heute schon wieder daheim bleiben muss, weil ich einen wichtigen Termin habe? Oder: Wie kann ich "Glücksstrategin" bleiben, auch wenn ich nicht wieder in meinen Beruf zurückkehren kann? In einer solch schwierigen Situation braucht die Leserin in der Tat das, was emotion bieten möchte: Coaching. Coaching im Internet, Coaching auf dem Papier, Coaching am Wochenende, für nur 720 Euro pro Seminar.

Und warum alle trotz dieser schwierigen Lage so glücksstrategisch hoffnungsfroh sind? Weil man heute nicht mehr über "Neurosen und Probleme" redet, so Horx, der Optimismusverkäufer. Heute betreibt man "positive Psychologie", in der keine Neurosen und Probleme vorkommen. Und was keinen Namen hat, ist bekanntlich auch nicht da. Noch so ein Megatrend.

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