Perlentaucher: Gepriesen sei der Link

Zur Debatte stehen Auschwitz, Subventionen, Copyright und Definitionsmacht: Der Krieg zwischen alten und neuen Medien am Beispiel von "FAZ" und Perlentaucher.

Perlen! Gefunden von: Der Herzogin von Cornwall, formerly known as Camilla Parker Bowles Bild: dpa

Es herrscht offener Krieg zwischen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und dem Online-Feuilletondienst Perlentaucher. Es geht um Auschwitz, um Subventionen und um Copyrights, um Definitionsmacht und ums Prestige.

Im Zentrum des Perlentauchers, der laut eigenen Angaben eine Leserschaft von 600.000 erreicht, steht die Presseschau der großen deutschen Feuilletons. Perlentaucher-Redakteure lesen oder ignorieren die dort erschienenen Artikel, sie fassen sie zusammen, sie kritisieren manche und loben andere. Wo das heute noch möglich ist, verlinken sie auf die entsprechenden Texte in den Onlineausgaben. Dasselbe geschieht mit Buchrezensionen. Die Feuilletonschau wird an Spiegel Online, die Magazinschau an Welt Online, und die Zusammenfassungen der Buchrezensionen werden an buecher.de weiterverkauft. Gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung klagte die FAZ 2005 gegen den Perlentaucher wegen des Verkaufs von Resümees der bei ihnen erschienenen Rezensionen. Der Perlentaucher gewann in erster Instanz, am 24. Juli findet die Berufungsverhandlung statt.

Dem Onlinedienst wird vorgehalten, Feuilletons kommerziell auszuwerten, ohne eine Plattform "für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Feuilletons der deutschen Presse insgesamt zu bieten", wie der Perlentaucher aus der Berufungsschrift zitiert. Ohne auf diese Auseinandersetzung hinzuweisen, erschien nun am 29. Juni in der FAZ der Artikel eines freien Autors, der den Vorwurf auf die griffige Formel brachte: Der Perlentaucher verdiene Geld mit den "aufgeschriebenen Gedanken anderer Leute". Jeder, der je das Vergnügen hatte, die Gedanken anderer zusammenfassen und bewerten zu müssen, also jeder, der in Wissenschaft oder Journalismus tätig ist, weiß, dass das oft harte Arbeit ist. Der Vorwurf ist also etwas schlapp. Davon abgesehen werden die alten Medien nur mit, nicht gegen das Netz überleben. Und dessen wahres Zentrum ist aber der Link, der sich bei der FAZ und besonders der Süddeutschen nur selten setzen lässt, weil beide Zeitungen ihr Feuilleton nur in wenigen Texten online stellen.

Der Perlentaucher wiederum fühlt sich ohnehin verfolgt, weil die FAZ in den vergangenen Jahren in mehreren Artikeln auch die beiden anderen Projekte der Perlentaucher Medien GmbH, signandsight.com und Eurotopics, angegriffen hat. Erstere ist eine Presseschau in englischer Sprache, die dem Ausland deutsche Debatten näher bringen soll, Letztere eine Presseschau in englischer, französischer und deutscher Sprache, in der die wichtigsten 26 europäischen Zeitungen ausgewertet werden. Die eine hat eine Anschubfinanzierung durch die Bundeskulturstiftung in Höhe von 1,4 Millionen Euro erhalten, die andere wird im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung hergestellt, die dafür im ersten Jahr laut FAZ 559.324,50 Euro ausgegeben hat.

Die FAZ bezichtigt nun die Macher des Perlentauchers implizit, Subventionen zu kassieren, um Produkte herzustellen, die eigentlich keiner braucht: Signandsight kenne im Ausland niemand, den dreisprachigen Newsletter läsen nur 9.000 Leute.

Nun kann man - freilich nicht FAZ - durchaus die Frage stellen, welchen Sinn solche Projekte haben. Denn wie Macher des Perlentauchers genüsslich feststellen: "Die FAZ weiß auch, was ein staatlicher Auftrag ist. Das mit der FAZ über die Mehrheitsgesellschafterin FAZIT-Stiftung verbundene Schwesterunternehmen Frankfurter Societät produziert eine Zeitschrift für das Auswärtige Amt."

Was hat das alles mit Auschwitz zu tun? Ein Autor der FAZ hatte in einem Artikel unter anderem über die Rolle des Geschichtsunterrichts bei der Integration von Migranten nachgedacht. Der Perlentaucher schrieb daraufhin, in besagtem Artikel sei für eine Reduktion der Schulstunden über Auschwitz plädiert worden. Doch der Autor hatte nur ganz generell behauptet, es müsse auf Migrantenkinder befremdlich wirken, wenn die dunklen Aspekte Deutschlands in der "Selbstdeutung der deutschen Kultur und Geschichte als die einzig erheblichen auftreten". Auch hier kam es zu einem Gerichtsverfahren, das diesmal und ebenso nachvollziehbar der Perlentaucher verlor.

Das erste Opfer des Kriegs ist bekanntlich die Wahrheit, und in diesem Krieg der Zitate und Unterstellungen ist es nicht anders. Wer nur die Darstellungen jeweils einer Seite liest, wird ihr nicht nahe kommen, aber es gibt ja Gottseidank das Internet. Gepriesen sei der Link.

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