Kino aus Singapur: Film ohne Worte

Visuelle und akustische Reduktionen: Eric Khoo erzählt in "Be With Me" von der Welterfahrung einer Taubblinden, lässt es aber an Konsequenz fehlen.

Bild: trigon film

Ohne Worte. Das steht gelegentlich unter einem gezeichneten Witz. Ohne Worte, das bedeutet, dass sich das Bild von selbst versteht, dass es keiner Erläuterung bedarf, dass der Gag rein visuell ist, aber auch, dass zum Beispiel eine Pfeife als Pfeife erkennbar ist und nicht noch der Unterschrift "Pfeife" bedarf. Ohne Worte stellte man sich auch einmal ein reines Kino vor, unabhängig von den Dialogkonventionen aus dem Theater und all den Emotionen, die von dort übernommen wurden.

Eric Khoos Film "Be with Me" ist ein Film nicht ganz ohne Worte, aber doch so wortlos, dass er eine außergewöhnliche Erfahrung darstellt. Drei Geschichten aus Singapur sind hier miteinander verwoben: zwei Mädchen, die eine kurze Liebesgeschichte miteinander haben; ein dicklicher Security-Mann, der heimlich einer schönen jungen Frau nachstellt; ein alter Ladenbesitzer, der den Verlust seiner Frau zu verkraften hat. Diese drei Geschichten sind über eine Figur miteinander vermittelt, die im Zentrum des Films steht und sein Entstehen auch inspiriert hat: Theresa Chan hat mit 12 Jahren das Gehör verloren, zwei Jahre später wurde sie blind. Fünfzig Jahre lebt sie nun schon so, ohne diese beiden wesentlichen Sinneserfahrungen, an die sie sich aber aus der Kindheit noch erinnern kann. Theresa Chan ist eine Person aus dem richtigen Leben, sie unterrichtet Kinder und hat eine Autobiografie geschrieben, die für und in "Be With Me" eine wichtige Rolle spielt, und sie tritt auch selbst auf in dem Film - alles läuft auf ihre Erscheinung hinaus.

Eric Khoo muss dabei einen Kompromiss eingehen, denn er kann natürlich keinen Film ohne Ton und ohne Bild drehen, wie es den Erfahrungen von Theresa Chan entsprechen würde. Er filmt also das Leben in der Stadt ganz normal, wenn auch ein wenig gedämpft. Aber dieser visuelle Eindruck ist vielleicht schon eine Sinnestäuschung und rührt daher, dass vor allem die Tonebene von "Be With Me" sehr charakteristisch ist: Sie besteht in erster Linie aus Geräuschen, es gibt kaum gesprochenes Wort, und wenn, dann wird es der Welt von Theresa Chan zugeordnet und kaum den drei "fiktionalen" Handlungssträngen, die sich wie in einer Traumerzählung aufeinander zubewegen und schließlich jene Momente unwahrscheinlichen Aufeinandertreffens ergeben, die zu jeder Großstadtmythologie gehören.

Die beiden Mädchen Jackie und Sam kommunizieren vor allem via SMS. Die Botschaften sind immer wieder bildfüllend zu sehen, die dazugehörigen Handy-Geräusche bilden einen sehr zeitgemäßen Soundtrack. Fatty, der Security-Mann, verliert wegen seiner Passion seinen Job. Er setzt immer wieder zu einem Brief an, in dem er sich der begehrten Frau erklärt - als er endlich mit einer Version zufrieden ist, macht er sich auf den Weg und läuft in sein Schicksal. Für den Vater ist die verstorbene Ehefrau noch so gegenwärtig, dass sie immer wieder wie selbstverständlich im Laden bei ihm ist. Sie gehört aber nicht mehr in diese Welt. Es ist sein Sohn, der ihn allmählich wieder in das richtige Leben zurückholt. Wie in so vielen asiatischen Filmen ist das Kochen dafür zugleich Therapie und Zeichen: Der Vater ist ein exzellenter Koch, sein Sohn bringt ihn dazu, gelegentlich für eine alte Frau zu kochen, die er betreut. Sie ist eben jene Theresa Chan, die "Be With Me" mit der nichtfiktionalen Wirklichkeit verbindet. Zuerst liest der Vater nur ihr Buch, schon dieses öffnet ihm einen neuen Blick auf die Welt. Später lernt er sie auch persönlich kennen. Die beinahe sakramentale Bedeutung, die das Essen dabei hat, rührt wohl auch aus der Privilegierung der verbliebenen Sinneserfahrungen her. Theresa Chan ist eine beeindruckende Persönlichkeit - ihre in die Schreibmaschine getippten Erkenntnisse und Weisheiten bilden auch visuell das Leitmotiv von "Be With Me". Die drei Geschichten des Films, sämtlich melancholisch gestimmt, kommen aber über Skizzen und Klischees kaum hinaus.

Eric Khoo will eine behinderte Welterfahrung anschaulich machen, und er will den starken Geist von Theresa Chan an "Fällen" erproben. Beides gelingt nur bedingt. Die akustische Reduktion und Konzentration von "Be With Me" macht zwar eine spezifische Erfahrung möglich, die aber trotzdem vollständig im Rahmen des herkömmlichen Tonfilmkinos bleibt (und sicher mit der Subjektivität von Theresa Chan nichts zu tun hat). Und die Erzählungen zielen zu sehr auf eine vage Idee von einem großen Zusammenhang, als dass sich dieser spezifisch entwickeln könnte. "Be With Me" ist eine Beschwörung und wechselt damit schneller von der Sinneserfahrung auf eine mentale Ebene, als dies in einem Film ohne Worte notwendig wäre.

"Be With Me". Regie: Eric Khoo. Mit Theresa Chan, Ng Sway Ah u. a. Singapur 2005

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