Airbus-Gipfel: Staat macht mit

Beim Treffen von Merkel und Sarkozy geht es um die Turbulenzen beim Airbus-Mutterkonzern EADS. Und die Bundesregierung entdeckt die Industriepolitik wieder.

Ob es bei dem Treffen zur Zukunft von EADS auch so puschelig zugeht? Bild: ap

Industriepolitik? Für Deutschland lange kein Thema. Eine Einmischung in die Angelegenheiten privater Unternehmen galt als unfein. Seine Aufgabe sah der Staat vielmehr in der Ordnungspolitik, also der Schaffung eines Rahmens, innerhalb dessen sich der Wettbewerb möglichst frei entfalten kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy beraten an diesem Montag über die Zukunft des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. Thema in Toulouse sind effizientere Managementstrukturen und die weitere Finanzierung der EADS-Tochter Airbus. Als sicher gilt die Abschaffung der Doppelspitzen im EADS-Management, die zur Wahrung des deutsch-französischen Gleichgewichtes geschaffen wurden. Dem Vernehmen nach soll der Deutsche Thomas Enders alleiniger EADS-Chef werden. Die Franzosen sollen dafür den EADS-Verwaltungsrat sowie Airbus führen.

Doch mit diesen Prinzipien steht die Bundesrepublik manchmal ziemlich allein da. So sah die deutsche Seite nur hilflos zu, als sich der französische Pharmakonzern Sanofi 2004 die alte Hoechst AG einverleibte. Die hieß zu diesem Zeitpunkt schon Aventis, weil sie fünf Jahre zuvor mit der französischen Rhône-Poulenc zusammengegangen war. Jetzt wollte Aventis auch noch mit dem Schweizer Pharmariesen Novartis fusionieren.

Nicolas Sarkozy aber, damals Wirtschafts- und Finanzminister unter Präsident Chirac, brachte Sanofi durch direkte Intervention dazu, ein höheres Angebot einzureichen. Das Ziel der französischen Regierung: die Erschaffung eines "europäischen Champions" der Pharmabranche. Mit seinem Unternehmenssitz in Frankreich natürlich.

Im Fall Airbus nun scheint das Vertrauen der Deutschen in die unsichtbare Hand des Marktes nachzulassen. Schließlich verfolgen die anderen am Flugzeugbauer beteiligten Staaten (siehe Grafik) auch ihre eigenen Interessen und stützen die heimischen Standorte, wo es nur geht. Während sonst die Bundesregierung all ihren Unternehmensbesitz zu privatisieren versucht, verfolgte sie im Fall von EADS nun die gegenteilige Politik. Als Daimler den Verkauf eines 7,5-Prozent-Anteils an EADS ankündigte, wollte die Bundesregierung unbedingt das Schrumpfen des deutschen Einflusses verhindern. Die bundeseigene Bank KfW erwarb deshalb zusammen mit Bundesländern und Finanzinvestoren das Aktienpaket.

Schließlich ist EADS in der heißen Phase der Sanierung, es geht um Arbeitsplätze. Europaweit sollen Werke verkauft und 10.000 Stellen gestrichen werden. Nun will die Regierung notfalls mit Geld nachhelfen, damit die deutschen Standorte nicht zu kurz kommen. "Zur Wahrung unserer Standortinteressen und des deutsch-französischen Gleichgewichts wird geprüft, mit welchen Finanzierungsinstrumenten EADS/Airbus unterstützt werden könnte", heißt es im Entwurf des Haushaltsgesetzes 2008.

Nicht mal für direkten Druck ist sich die Regierung zu schade. Wirtschaftsminister Michael Glos drohte im Februar ganz offen damit, gegebenenfalls einfach Rüstungsaufträge auszusetzen: "Schließlich sind wir für den EADS-Konzern auf dem militärischen Sektor der größte Arbeitgeber."

Die Zeiten der Zurückhaltung scheinen aber nicht nur bei Airbus vorbei zu sein. Beispiel Telekom: Für den einstigen Staatsmonopolisten möchte die Regierung wieder besondere Bedingungen gelten lassen. Seine Investitionen in das neue VDSL-Netz sollen belohnt werden, indem Konkurrenten für längere Zeit ferngehalten werden. Sogar eine Klage der EU gegen diese Schutzmaßnahme wird in Kauf genommen.

Auch gegen ausländische Investoren will die Regierung deutsche Unternehmen in Schutz nehmen. Ausgerechnet der CDU-Wirtschaftsrat regte an, darüber nachzudenken, "ob wir nicht eine Mindestgrenze an Aktien im deutschen Besitz brauchen". Die Regierung will nun tatsächlich Vorschläge erarbeiten lassen, wie man den Einstieg ausländischer Staatsfonds - gemeint sind insbesondere Fonds der chinesischen Regierung - in heimische Schlüsselindustrien blockieren kann. Finanzminister Peer Steinbrück forderte überdies Anfang des Monats im Handelsblatt ausdrücklich eine aktive Industriepolitik: Die Regierung müsse dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen in den Bereichen "Telekommunikation, Banken, Post, Logistik und Energie im Inland wie im Ausland erfolgreich sind."

Da ist es womöglich nur noch eine Frage der Zeit, bis sich auch SPD-Fraktionschef Peter Struck durchsetzt. Der hatte im März die Einrichtung eines "Industriekabinetts" gefordert, in dem die verschiedenen Ministerien eine kohärente Industriepolitik abstimmen sollen. Mit einem solchen Schritt wäre die de facto schon erfolgte Abkehr von der reinen Ordnungspolitik hin zur Industriepolitik dann auch formal umgesetzt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.