Dissident im Gentechnologie-Komplex

„Nein, diese Kartoffeln würde ich nicht essen.“ Als der schottische Wissenschaftler Arpad Pusztai vor sieben Jahren diesen Satz in ein Mikrofon eines britischen Kamerateams sagte, wusste er noch nicht, dass er damit einen spektakulären und unerbittlich geführten Forschungsstreit auslösen wird.

Der bis zu seinem Fernsehauftritt international renommierte Professor hatte vor der Kamera über erste Ergebnisse einer Fütterungsstudie mit gentechnisch veränderten Kartoffeln berichtet. Seine Versuche hätten gezeigt, dass die mit einem Gen aus Maiglöckchen ausgestatteten Kartoffeln bei Ratten zu Organveränderungen führten, berichtete Pusztai damals. Zwei Tage später bekam er seine Suspendierung überreicht. Seinen Arbeitsplatz am Rowett Research Institut (RRI) in Aberdeen durfte er nicht mehr betreten. Über 35 Jahre hatte Pusztai dort gearbeitet.

Offiziell wurde ihm angekreidet, dass er mit wissenschaftlich nicht abgesicherten Ergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen sei. Inoffiziell war schnell klar, dass es darum ging, einen anerkannten Forscher mundtot zu machen, der nicht davor zurückscheute, die Gentechnologie zu kritisieren.

Doch Pusztai ließ sich nicht beugen. Es folgten Untersuchungskommissionen, die obersten wissenschaftlichen Gremien in Großbritannien mussten sich mit dem Fall beschäftigen. Und obwohl auch zahlreiche Kollegen von ihm abrückten, Pusztai blieb standhaft. Längst ging es auch gar nicht mehr um seine Forschungsarbeiten. In den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion rückte zunehmend der rücksichtslose Umgang, den der geschasste Forscher vom britischen Wissenschaftsbetrieb erfahren musste. Pusztais Fall gilt seither als das Musterbeispiel dafür, wie die vielfach mit der Gentech-Industrie verflochtenen Forschungsinstitutionen nach dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, alle Nichtmitläufer ausgrenzt.

Heute Abend wird Arpad Pusztai in Berlin für seine Standfestigkeit geehrt. Zusammen mit dem US-Physiker Ted Postol vom Massachusetts Institut of Technolgy (MIT) bekommt er den diesjährigen Whistleblower-Preis überreicht. Postol hat öffentlich gemacht, wie mit Lug und Betrug – auch am MIT – das amerikanische Raketenabwehrprogramm durchgezogen wurde.

Der Whistleblower-Preis wird alle zwei Jahre von verschiedenen Organisationen, unter anderem der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VWD), vergeben. Ausgezeichnet werden Persönlichkeiten, die in ihrem Arbeitsumfeld Missstände und Fehlentwicklungen aufdecken und dabei auch keine Rücksicht auf ihre eigene Berufskarriere nehmen.

WOLFGANG LÖHR