Lengsfelds Hund pißt auf Staatskosten

■ Die CDU-Novizin Vera Lengsfeld kassierte vom Bundestag monatlich 3.000 Mark für Sekretariatsaufgaben – doch die Angestellte mußte dafür vor allem putzen, kochen, Kinder hüten und Mischlingshund Flocki ausführen

Berlin (taz) – Vera Lengsfeld bleibt sich treu. Die Frau, die zur Wendeprominenz zählt und unter ihren Bürgerrechtlerfreunden als geizig bekannt ist, ist wieder mit einer Geldgeschichte ins Gerede gekommen. Im Stern von morgen wird der 44jährigen CDU-Abgeordneten vorgeworfen, von dem Geld, das ihr als Parlamentsmitglied zusteht, um Helfer für ihre Bundestagsarbeit zu finanzieren, mehr oder weniger eine Rund-um-die-Uhr-Haushälterin bezahlt zu haben – was dem Vorwurf des Betruges gleichkommt und strafrechtliche Folgen haben könnte.

Das „Modell Lengsfeld“, so die Illustrierte, ist so zu verstehen: Jedem Bundestagsmitglied steht neben den Diäten ein Betrag von monatlich 14.235 Mark für Mitarbeiter zur Verfügung. Die Thüringerin stellte für gut 3.000 Mark bei einem Zeitbudget von 28,8 Stunden wöchentlich ihre damalige Parteifreundin Heidemarie Freyberg von den Grünen ein. Ein eigenes Büro stand der Angestellten nicht zur Verfügung – ihre Arbeit sollte sie in Lengsfelds Haus in Nordhausen erledigen. Darüber hinaus heuerte die Ende vorigen Jahres pompös von den Grünen zur CDU konvertierte Politikerin Freyberg für 470 Mark monatlich an, um ihr auch im Haushalt zu helfen.

Die Wirklichkeit sah nach Beobachtungen von Olaf Möller, Landessprecher der Thüringer Grünen, und Bernd Langhammer, Lebensgefährte Freybergs, jedoch anders aus: Zwar tippte Lengsfelds Helferin hin und wieder auch einen Brief. Doch meist war ihre Arbeitszeit damit ausgefüllt, auf Jonas und Jacob, die Kinder der Abgeordneten, aufzupassen. Darüber hinaus hatte sie zu kochen, zu putzen und mit Mischlingshund Flocki Gassi zu gehen.

Während der Sitzungswochen in Bonn soll Lengsfeld ihre Angestellte schließlich dazu gedrängt haben, in ihrem Haus zu bleiben, um vollständig die Heimarbeit zu erledigen. Die Hauptlast, so Freyberg vor Mitarbeitern der grünen Bundestagsfraktion in Bonn, habe in Hausarbeit und Kinderbetreuung gelegen. Mitarbeiter der Grünen erzählen noch mehr: Freyberg soll schwer darunter gelitten haben, daß Lengsfeld ihre Wischtätigkeiten nachkontrollierte – beispielsweise indem sie regelmäßig die Lampenschirme prüfte, ob sie auch akkurat genug entstaubt wurden. Ein Grüner, der sich „wegen der jetzt folgenden innerparteilichen Scharmützel“ nicht nennen lassen will, meint: „Es klingt nach schmutziger Wäsche, die wir ihr hinterherwaschen. Aber es war unsere Schuld, Frau Lengsfeld nie darauf hingewiesen zu haben, daß man seine Helfer und Angestellten nicht wie Leibeigene behandelt.“

Im November 1996 bekam Freyberg während einer Krankheit ihre Kündigung. Auf ihren Protest hin und nach anwaltlicher Konsultation wurde Freyberg nahegelegt, sich mit einer Abfindung zufriedenzugeben. Über alle weiteren Details ist sie zum Schweigen verpflichtet, um Schaden von den Grünen abzuwenden.

Heute fühlt sich Freyberg gekränkt: „Ich darf dazu nichts sagen. Ich möchte mich nicht belasten. Aber ich hätte nie gedacht, daß Frau Lengsfeld so ist, wie ich sie kennengelernt habe.“ Dabei war es in Bonn und Thüringen kein Geheimnis, daß Lengsfeld ihre Angestellte mitnichten mit parlamentarischen Hilfsarbeiten auslastete. „Sie hat immer von ihrer Kinderhilfe gesprochen“, so Möller. Im Namen des guten Rufs hat aber niemand daran Anstoß genommen. Lengsfeld soll nur gesagt haben: „Das interessiert mich nicht.“

Die nun bei der CDU um ein Bundestagsmandat für die nächste Legislaturperiode anstehende Vera Lengsfeld hatte sich bei ihrer früheren Partei den Ruf einer „Abstauberin“ erworben. Sie hatte sich stets konsequent geweigert, satzungs- und vereinbarungsgemäß 3.000 Mark von ihren Diäten als Spende an die Partei abzuführen. Sie ließ sich selbst auf niedrigere Zahlungen nie ein – und empfand dies als gerechtfertigt, um ihre Bürgerrechtsarbeit – andere sagen: ihr Haus – zu finanzieren.

Lengsfeld war gestern nicht zu sprechen. Ina Albowitz (FDP) vom Ältestenrat des Bundestags und zuständig für die Betreuung der Bundestagsangestellten, will erst einmal abwarten, was an den Vorwürfen dran ist: „Das gebietet das normale rechtsstaatliche Procedere.“ Wenn die Vorwürfe aber zuträfen, „dann gibt's Ärger“. Konkret hieße das: Lengsfeld – aber auch Heidemarie Freyberg – hätten sich strafbar gemacht. Jan Feddersen