Blood & Honour heißt jetzt „28“

Das Bundesverfassungsgericht muss jetzt über den Verbotsantrag der Bundesregierung gegen die NPD verhandeln. In Berlin wird bereits eine erste Bilanz zum Verbot der Neonazi-Organisation Blood & Honour gezogen. Trotz unterschiedlicher Bewertung scheint allen klar: Aktivitäten gehen weiter

von PLUTONIA PLARRE
und HEIKE KLEFFNER

Das neonazistische Netzwerk für Skinheadmusik, Blood & Honour, existiert trotz des Verbots weiter – in Berlin wie im Rest der Republik. Vor allem in Nord- und Ostdeutschland verzeichnen das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz weiterhin Aktiviäten. Seit Blood & Honour im vergangenen September durch das Bundesinnenministerium verboten wurde, setzten Protagonisten und Anhänger verstärkt auf Geheimhaltung und Militanz.

In Berliner Sicherheitkreisen mehren sich nun die Stimmen, die deshalb meinen, das Verbot habe nichts gebracht. Die Bundesregierung müsse aufpassen, dass sich die Erfahrungen mit Blood & Honour nicht bei der NPD – gegen sie wird dieser Tage das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eröffnet – wiederholten, heißt es.

Die Sprecherin des Berliner Verfassungsschutzes, Isabelle Kalbitzer, bestätigte, dass die personellen Strukturen von Blood & Honour auch nach dem Verbot fortbestehen. Anders als früher würden die Skinheadkonzerte verstärkt in den Randbereichen der Bundesländer organisiert. Man versuche die Zuständigkeitgrenzen der Länder auszunutzen, um sich dem polizeilichen Zugriff zu entziehen. Bei den Anhängern sei eine zunehmende Bereitschaft zur Militanz zu verzeichnen. Polizeibeamte seien wiederholt massiv angegriffen worden, als sie bei den Konzerten einschritten. Die Aktionen seien von langer Hand geplant gewesen, wie der Fund von Wurfgeschossen, Rauchgranaten und Molotowcocktails vor Ort zeige.

Um nicht sofort als Blood & Honour erkannt zu werden, verwendet die Organisation laut Kalbitzer inzwischen verstärkt den szeneinternen Code. Es handelt sich dabei um Zahlen, die für die Buchstaben des Alphabets stehen. „18“ bedeute „Adolf Hitler“, „88“ „Heil Hitler“, und „28“ nunmehr „Blood & Honour“.

Eine politische Bewertung über den Erfolg des Verbots will die Sprecherin des Berliner Verfassungsschutzes nicht abgeben. Dagegen hält der Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Gerd Lange, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Die verbotene Organisation Blood & Honour habe in Nord-und Ostdeutschland zwar noch „drei bis vier“ Konzerte“ abgehalten. Es handele sich dabei jedoch lediglich um den Versuch einiger Funktionäre, die „Reststrukturen“ aufrechtzuerhalten. Der Handlungsspielraum sei aber stark eingeengt, weil die Geld- und Vermögenswerte von Blood & Honour beschlagnahmt worden seien. Das Verbot, so Lange, sei auch deshalb erfolgreich, weil die Polizei nun bei erneuten Aktivitäten sofort mit strafprozessualen Maßnahmen einschreiten könne.

Was die Bewertung der Aktion angeht, ist man in Berliner Sicherheitskreisen etwas zurückhaltender. Bei der Großdurchsuchung im Berliner und Brandenburger Raum wurden dem Vernehmen nach so wenige Vermögenswerte gefunden, dass man davon ausgeht, dass Blood & Honour gewarnt war. Zudem seien die Berliner Protagonisten früher ein zerstrittener Haufen gewesen. Das Verbot habe sie nun wieder zusammengeschweißt.

Unabhängige Rechtsextremismusexperten sind sich weitgehend einig. „Die Aktivisten von Blood & Honour machen unverdrossen weiter“, sagt Bernd Wagner, der Leiter des Zentrums Demokratische Kultur in Berlin. Auch Michael Weiss, Autor des Handbuchs „White Noise – Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood & Honour“, kann keinen Rückzug der Führungskader feststellen: „Darüber hinaus ist das Blood-&-Honour-Vertriebssystem durch das Verbot nicht gestört worden.“ Allenfalls die Anzahl der von Blood & Honour organisierten Konzerte sei zurückgegangen. Ob als Resultat des Verbots oder weil die Behörden auf teilweise schon zwei Jahre alte so genannte „Konzerterlasse“ zurückgreifen, ist vielfach unklar.

Gelingt es Blood & Honour dennoch, ein Konzert zu organisieren, kommen immer noch mehrere hundert Besucher, wie beispielsweise zehn Tage nach dem Verbot bei einem gemeinsam mit den Hammerskins organisierten Rechts-Rock-Konzert im Landkreis Lüneburg. Bei dem Versuch, das Konzert zu beenden, wurden 46 Polizeibeamte verletzt. Ähnliches ereignete sich im sächsischen Kittlitz, als Polizeibeamte Anfang Dezember vergangenen Jahres ein Konzert in dem von der Kameradschaft „Odins Legion“ betriebenen Jugendclub Glossen beendeten. „Die Bereitschaft, Konzerte militant zu verteidigen, ist seit dem Verbot gestiegen“, so Michael Weiss. Um dem staatlichen Verfolgungsdruck zu entgehen, würden die Strukturen von Blood & Honour vielfach auf kleinere private Räumlichkeiten und Grundstücke, aber auch Gaststätten in ländlichen Regionen und Veranstaltungsorte im Ausland zurückgreifen. Dort habe die Zahl der Konzerte mit Beteiligung von deutschen Neonazibands und deren Anhang im vergangenen Jahr erheblich zugenommen.

Auch der Vertrieb des verbotenen Blood-&-Honour-Hochglanzmagazins liefe uneingeschränkt weiter, berichtete das Antifaschistische Infoblatt im Winter letzten Jahres. Noch im Oktober 2000 sei die aktuelle B&H-Publikation mit einem Brief verschickt worden, in dem lediglich vor einer Kontaktaufnahme über die bisher bekannten B&H-Postfächer gewarnt wurde. Und die ebenfalls verbotene Gruppierung „White Youth“, die als Rekrutierungs- und Vorfeldorganisation für Blood & Honour gilt, verkündete im Internet trotzig: „Wir machen weiter.“

Nachfragen von Landesparlamentariern nach der Wirksamkeit des Verbots führten bisher zu unterschiedlichen Reaktionen: So teilte beispielsweise das sachsen-anhaltische Innenministerium auf eine entsprechende Anfrage der PDS-Landtagsabgeordneten Britta Ferchland mit, die Frage könne „aus Gründen der Geheimhaltung und des Quellenschutzes“ nicht beantwortet werden. Im aktuellen Monatsbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz heißt es dazu, zwar seien in Thüringen keine Fortsetzungsaktivitäten von B&H bekannt, allerdings besitze das Logo der verbotenen Organisation „bei Produktion und Vertrieb von Tonträgern innerhalb der Szene offensichtlich weiterhin große Zugkraft“. So wurden beispielsweise bei einer Razzia Ende Dezember in Hamburg u. a. rund 1.000 CDs einer Neuproduktion von Blood & Honour Brandenburg beschlagnahmt.