Kleiner Protest mit großen Sorgen

Arbeitsloseninitiativen demonstrierten in Berlin gegen Hartz-Pläne. Schelte für konkurrierenden PDS-Aufmarsch

BERLIN taz ■ Viel haben sie nicht von einander zu sehen bekommen, die drinnen im und die draußen vor dem Französischen Dom auf dem Berliner Gendarmenmarkt. Rund 200 Erwerbslose demonstrierten gestern Mittag zum Einzug der geladenen Gäste gegen die Konsequenzen des Hartz-Papiers. Zur Kundgebung hatte der Runde Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen Berlin aufgerufen.

Und gleich zum Beginn gab es Streit. Während der erste Redebeitrag an der Nordseite der einstigen Hugenottenkirche in den Dreierreihen der Ahornbäume verhallte, marschierte die Percussion-Truppe der PDS auf den Platz vor der Freitreppe und intonierte mit lautem Schall, während sich Abgeordnete und Mitglieder der Partei mit ihren Pappschildern kameragerecht platzierten. Zorn weckte das vor allem bei den kleinen Initiativen, die lauthals schimpften: „Stimmenfang! Nicht abgesprochen!“

Norbert Cultus von der Arbeitsloseninitiative der IG Metall versuchte zu beschwichtigen und gleichzeitig die unerbetene Parteienunterstützung zu tadeln. Währenddessen profilierten sich auf dem Vorplatz gleichermaßen geladene Befürworter, Arbeitskleidung Anzug und Köfferchen, wie mandatierte Gegner, Arbeitskleidung ebenfalls Anzug und Köfferchen.

Schon am Morgen hatten rund 70 Arbeitslose sich vor dem Bundesministerium für Arbeit versammelt. Der Unmut richtete sich ebenso gegen die Bundesanstalt als „riesige Jobvermittlungsagentur“ mit staatlichem Freibrief zum „Sklavenhandel“, wie gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Gekommen waren auch Katharina Lötzsch (20) und Toni Krohs (40). Die beiden Frauen standen ratlos vor der Frage eines Mitdemonstranten, der die Arbeitslosigkeit „als Chance“ zur Veränderung der einen Welt propagierte, in der anderswo bisher noch „Menschen mit nur einem Dollar am Tag“ auskommen müssten. Nein, sagte Katharina Lötzsch, Geld brauche „es hier und heutzutage schon“. – „Ich kann mich ja nicht selbst aufgeben“, sagte Toni Lohs. Sicher, frau engagiere sich politisch für Frieden, für Gerechtigkeit, sei aber letztendlich doch ebenso ohnmächtig wie „die in der Dritten Welt: „Ich fühle mich verarscht.“

Zu beiden Kundgebungen waren vor allem ältere Frauen aus dem Osten Berlins gekommen, die sich „chancenlos fühlen“. Eine Umschulung nach der anderen haben sie angeboten bekommen und auch absolviert, sagt eine. Das habe ihr aber gar nichts genützt: „Alles gut und schön, aber es zählt nicht richtig als Praxis.“ Und jünger und damit vermittelbarer macht es sie auch nicht. Auch sie glaubt nicht mehr an die Job-Center als Chance, sondern fürchtet nur eine weitere Kürzung ihrer Bezüge.

Vor dem Französischen Dom haben sich die TeilnehmerInnen separiert, stehen in einer Ecke, vorne posiert die PDS, daneben intonieren die Anarchisten im Chor die „Internationale“ als Kontrastprogramm. Bei der Zeile „… die Müßiggänger schiebt beiseite“, kommen sie aus dem Takt. HEIDE PLATEN